Politik - Meinung

Der Kanton schleicht sich aus der Verantwortung

von Noah Pilloud 3. Dezember 2023

Pressefreiheit Der Kanton Bern strich dem Onlinemedium «baba news» bereits zugesprochene Gelder. Damit offenbare der Kanton eine besorgniserregende Grundhaltung, findet unser Autor. Ein Kommentar.

Das Signal ist so eindeutig wie verheerend: Der Kanton Bern schert sich nicht um Pressefreiheit und eine angemessene Vielfalt an Medien und damit Perspektiven in der Medienlandschaft. Zumindest legt das Verhalten der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern (GSI) diesen Schluss nahe.

Vor wenigen Wochen stoppte die GSI die Auszahlung eines Unterstützungsbeitrags für ein Podcastprojekt des Onlinemediums «baba news». Auslöser dafür waren mutmasslich die Aussagen der beiden Chefredaktorinnen in einem anderen Podcast des Mediums. In der ersten und bisher einzigen Folge von «From System with Love» diskutierten die beiden über den öffentlichen Diskurs nach den schrecklichen Angriffen der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung am 7. Oktober und die darauffolgende grossflächige Bombardierung von Gaza durch die israelische Armee.

Der Podcast löste starke Reaktionen aus. Während sich viele, die sowohl der Hamas wie auch der heftigen Reaktion Israels kritisch gegenüberstanden, verstanden und gehört fühlten, warfen andere «baba news» Terrorverharmlosung und Antisemitismus vor. In sendungsbewusstem Eifer schrieben die Empörten sogleich alle Unterstützer*innen des Onlinemediums an, um sie mit ihren Vorwürfen zu konfrontieren. Wenige Tage später reagierte die GSI mit eingangs erwähntem Auszahlungsstopp bereits zugesagter Gelder.

«Das hat nichts mit Medienfreiheit zu tun»

Das Onlinemedium machte in der Folge auf seinem Instagram-Kanal auf das Vorgehen der Direktion aufmerksam. Ein Satz im Statement der «baba news»-Redaktion lässt besonders aufhorchen: «Gemäss unserem gestrigen Telefongespräch mit dem Integrationsbeauftragten müsse man eben damit rechnen, einen Teil seiner Unabhängigkeit zu verlieren, sofern man Gelder von der öffentlichen Hand annehme.»

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Diese Aussage und das Vorgehen der GSI insgesamt werfen einige Fragen auf. Fragen, zu denen Journal B von der Direktion gerne eine Stellungnahme haben wollte. Auf einen Umfangreichen Fragekatalog reagierte der Kommunikationsbeauftragte der GSI aber kurz angebunden. Die Direktion habe lediglich eine Subvention gestoppt. «Die Medien- und Meinungsäusserungsfreiheit hat damit nichts zu tun», heisst es in der Antwort.

Weder zur Aussage ihres Mitarbeiters noch zu den Gründen des Zahlungsstopps wollte sich die Direktion äussern. Ein einfacher administrativer Akt wurde vorgenommen und nichts hat mit nichts zu tun. Fall geschlossen.

Gefährliche Signalwirkung

Doch so einfach, wie es die GSI darstellen will, ist die Angelegenheit nicht. Selbstverständlich hat es etwas mit Pressefreiheit zu tun, wenn einem Medium aufgrund dessen Berichterstattung öffentliche Gelder gestrichen werden. Dafür kann es Gründe geben, wenn sich das Medium etwa nachweislich verfassungswidrig äussert oder wiederholt gegen journalistische Prinzipien verstösst.

Doch so einfach, wie es die GSI darstellen will, ist die Angelegenheit nicht. Selbstverständlich hat es etwas mit Pressefreiheit zu tun, wenn einem Medium aufgrund dessen Berichterstattung öffentliche Gelder gestrichen werden.

Doch weder ist das bei «baba news» der Fall, noch hat sich die GSI dazu geäussert, ob sie vor ihrem Entscheid eine fachliche Einschätzung vornehmen liess. Für eine solch schwerwiegende Entscheidung wäre dies aber mehr als angebracht. Ein Vorgehen nach eigenem Ermessen führt zu Willkür.

Über den Inhalt des Podcasts und einzelne Aussagen lässt sich bestimmt diskutieren. In einer breit aufgestellte Medienlandschaft kann genau diese Debatte auch geführt werden. Egal wie man zu den Aussagen der Redaktion steht, muss man aber erkennen, welche gefährliche Signalwirkung das Vorgehen der GSI und die Aussage ihres Mitarbeiters haben.

Selbstverständlich handelt es sich bei der Subvention nicht direkt um Presseförderung. Die Aussage, wonach einen Teil der Unabhängigkeit aufgeben muss, wer Geld aus der öffentlichen Hand bezieht, geht in ihrer Absolutheit aber über diese Subvention hinaus. Sie offenbart eine fatale Grundhaltung, die für die Zukunft der Medienlandschaft nichts Gutes verheisst.

Die öffentliche Hand trägt Verantwortung

In Zeiten von massenhaftem Stellenabbau und zunehmender Medienkonzentration, in denen sich insbesondere der Lokaljournalismus schwer finanzieren lässt, scheint eine staatliche Medienfinanzierung fast unerlässlich. Öffentliche Gelder sollten gerade dazu dienen, die Unabhängigkeit der Medien sicherzustellen. Die Alternative – die Finanzierung durch private Geldgeber*innen – führt zu einer verstärkten Abhängigkeit von der Wirtschaft.

Egal wie man zu den Aussagen der Redaktion steht, muss man aber erkennen, welche gefährliche Signalwirkung das Vorgehen der GSI und die Aussage ihres Mitarbeiters haben.

Die Stärke der öffentlichen Hand ist es, dass sie der demokratischen Kontrolle untersteht. Das gibt ihr eine stärkere Legitimation – aber auch eine grössere Verantwortung. Sie muss ihr Handeln nach den Interessen aller und nicht nur deren einer Mehrheit richten. Sie muss ihr Handeln rechtfertigen können und sollte besonnen vorgehen.

Indem der Kanton auf eine laute Empörungswelle reagiert, indem er vorschnell Subventionen stoppt, kommt er dieser Verantwortung nicht nach. Er handelt populistisch und wirft all jene Medienprojekte unter den Bus, die weder einer Mehrheit nach dem Mund schreiben noch sich dem Meinungsdiktat privater Geldgeber*innen unterwerfen wollen. Er zeigt, dass er sich nicht um Pressefreiheit und Perspektivenvielfalt schert.