Zum grundlosen, rechtswidrigen, grausamen und zerstörerischen Krieg des Kremlherrn gegen die ukrainische Bevölkerung und den ukrainischen Staat ist eigentlich alles gesagt. Der Krieg hinterlässt schon jetzt riesige menschliche Opfer und ein in vielen Gegenden verwüstetes Land. Nicht genug: das russische Regime verhöhnt mit der Leugnung seiner Verantwortung für Gräueltaten die getroffenen Menschen und fordert durch Lüge und Propaganda uns alle heraus, die Anteil nehmen und helfen.
Wenn Vernunft und Fairness zählten, wäre längst klar: Putin hat den Krieg verloren, die Ukraine hat ihn gewonnen. Die Waffen müssen schweigen, zu regeln ist die Zukunft.
Doch Vernunft und Fairness gelten nicht. So wird weiter Gewalt angewendet von Goliath gegen David, bis möglicherweise das Land, das so viele andere Länder der Welt ernährt, eine Wüste geworden sein wird.
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Hilflos und bewegt, zu helfen, schauen wir am Bildschirm die erschütternden Bilder an. Wir lesen Bücher und Berichte, um das Unverständliche zu verstehen. Und erleben dabei, dass nicht wenige zu verstehen meinen. Es sind jene Menschen – auch in der Schweiz, auch in Bern, wo immer sie politisch stehen – die bis zum Kriegsausbruch und zum Teil noch heute Gründe erkennen für die «militärische Sonderoperation»: Dermassen gewalttätig hätte es nicht kommen müssen, gewiss, doch «der Westen», die Nato mit ihrer «Osterweiterung», die USA, die Empathielosigkeit gegenüber den Umkreisungsängsten des imperialen Russlands, die korrupte Regierung in Kiew hätten den Überfall halt leider nötig gemacht.
Wer so «versteht», steht skrupellosen Schreckensherrschern mit Grossmachtwahn näher als systematisch rechtswidrig bekämpften zivilen Opfern. Wer so «versteht», gesteht Russland Souveränität zu, der Ukraine nicht. Wer so «versteht», billigt letztlich, dass Russland durch die Eroberung der Ukraine an deren Westgrenze direkt an Nato-Länder stösst, was es angeblich verhindern will. Wer so «versteht», nimmt den Kampf Russlands gegen ein angebliches Bruder- und Schwestervolk (in russischer Diktion) in Kauf, einen Bürgerkrieg also.
Kurz – wer so «versteht», hat Mühe zu begründen, weshalb die Schweiz souverän ist, die Ukraine es aber nicht sein darf. Dabei ist es einfach: Ein Land ist souverän oder ist es nicht. Wer dies in Frage stellt, muss sich die Frage auch für die Schweiz gefallen lassen.
Wer für diesen Krieg auch nur das leiseste Verständnis hat, hilft den Aggressoren.
Ich habe in der Zeit des Kalten Kriegs Militärdienst geleistet, ohne Überzeugung und doch ordentlich. Ich habe in der Volksabstimmung 1989 für die Abschaffung der Armee gestimmt. Ich muss heute zur Kenntnis nehmen, dass ich falsch lag. Dass wir in der Schweiz vermehrt verteidigungsfähig werden müssen, was nur geht im Verbund mit anderen Ländern. Dass wir tiefgreifende Gewissheiten überdenken müssen. Dazu gehört wohl, dass Friedenspolitik und Bewaffnung sich nicht ausschliessen, sondern vielleicht bedingen. Das ist harte Arbeit an uns selbst mit ungewissem Ergebnis.
Eines scheint mir dabei klar: Wer für diesen Krieg auch nur das leiseste Verständnis hat und Gründe findet, hilft ausschliesslich den Aggressoren. Und wer nun einwendet, man müsse sich nur die grauenvollen Kriegsverbrechen der USA anschauen, hat Recht. Die gab es und die Verantwortlichen landeten nicht vor Gericht. Doch: Die heftigste Opposition gegen die Kriegsgräuel der USA, sei es in Vietnam, im Irak, in Afghanistan oder bei der Niederschlagung republikanischer Oppesitioneller etwa in Chile, gab es in den USA selber. Dagegen wird in Russland seit Jahren vom Regime alles unternommen, dass die Bevölkerung belogen und eingeschüchtert wird und hinter Gitter kommt, wenn sie sich wehrt.
Das ist kein kleiner Unterschied. In einer unvollkommenen Welt macht er vielleicht den ganzen Unterschied.