Das jüngste Opfer heisst «Kultz». Dem Luzerner Onlinemedium, das seit zwei Jahren für die Zentralschweiz ein Kulturmagazin produziert, gehen die Mittel aus. Es stellt daher seinen Betrieb auf Ende Jahr ein.
Der Untergang von «Kultz» zeigt einmal mehr: Lokaler Journalismus ist kaum noch finanzierbar, lokaler Kulturjournalismus schon gar nicht. Der Aufwand ist enorm, weil die Berichte nicht einfach von einer Agentur oder von andern Medien übernommen werden können, sondern in aller Regel selber recherchiert und geschrieben werden müssen. Hinter jedem Beitrag stehen mehrere Stunden journalistische Arbeit. Mit dem Verkauf von Abonnements sind diese Kosten auf Dauer nicht zu decken.
Auch Tamedia und CH Media AG streichen Stellen
Das gilt durchaus auch für die grossen Medienverlage. Auch für sie ist lokaler und regionaler Journalismus teuer und aus rein wirtschaftlicher Sicht nicht rentabel. Sie reagieren auf diese Tatsache, indem sie die lokale und regionale Berichterstattung reduzieren und dafür mehr auf nationale und internationale Themen setzen. Dort kann mit andern Medien zusammengearbeitet werden, oder deren Beiträge können gleich ganz übernommen werden, wie dies beispielsweise bei den Tamedia-Zeitungen zunehmend der Fall ist. Auch die Berichterstattung über Boulevard und Lifestyle kann auf diese Weise kostendeckend betrieben werden, weil sie sich an ein breiteres, nicht an einen bestimmten Ort gebundenes Publikum richtet.
Der Untergang von «Kultz» zeigt einmal mehr: Lokaler Journalismus ist kaum noch finanzierbar, lokaler Kulturjournalismus schon gar nicht.
Es ist deshalb absehbar, wo Tamedia und CH Media AG Stellen streichen werden: in den Lokal- und Regionalredaktionen. 28 Stellen sollen es bei Tamedia in der Romandie sein, 20 in der Deutschschweiz. Ausserdem wird die Zusammenarbeit mit 21 freien Journalistinnen und Journalisten beendet. Dadurch werden die ohnehin schon dezimierten Lokalredaktionen weiter geschwächt. Denn dieser Abbau folgt auf eine ganze Reihe früherer Entlassungswellen, denen bekanntlich auch die selbständigen Lokalredaktionen von «Bund» und «Berner Zeitung» zum Opfer fielen.
Ganze 150 Stellen sollen es bei der CH Media AG sein. In diesem Unternehmen sind eine Vielzahl lokaler und regionaler Zeitungen sowie Veranstalter von Lokalradios und Regionalfernsehen in der Deutschschweiz zusammengeschlossen. In Bern wird es Radio Bern 1 und TeleBärn treffen. Auch die «Today»-Plattformen wie BernToday, PilatusToday usw., auf welchen Beiträge der jeweiligen Lokalradios und Regionalfernsehstationen weiterverwendet werden, gehören zur CH Media AG. Nun sollen fast 10 Prozent der in diesen Medien beschäftigten Personen entlassen werden. Auch hier wird es sich in der Hauptsache um Journalist*innen handeln, die über das lokale oder regionale Geschehen berichten.
Bundesrat Rösti giesst Öl ins Feuer
Eigentlich besteht Einigkeit darüber, dass eine umfassende Information auf lokaler und regionaler Ebene und deren journalistische Aufbereitung gerade für die direkte Demokratie in den Gemeinden und Kantonen von grosser Bedeutung sind. Wie sollen Abstimmungen auf diesen Ebenen funktionieren, wenn über die Vorlagen nur noch von den Behörden selbst informiert wird und es dazu keine öffentlichen Auseinandersetzungen mehr gibt?
Genau aus diesem Grund hat der Bund vor nunmehr 30 Jahren lokale Radio- und Fernsehstationen zugelassen und für deren Betrieb staatliche Gelder bereitgestellt. Die nationale Politik hatte eingesehen, dass ein Informationsaustausch auf lokaler und regionaler Ebene ohne staatliche Beihilfen nicht funktionieren kann. Und tatsächlich gelang es auf diesem Weg, ein Netz von privaten Radio- und Fernsehstationen zu schaffen, welche dank Leistungsaufträgen in relevantem Umfange lokale und regionale Information vermittelten und es noch immer tun.
Wer Medienvielfalt auch auf lokaler Ebene im Interesse einer demokratischen Gesellschaft für notwendig hält, muss daher auf anderem Wege dafür sorgen, dass es diese Medienvielfalt auch in Zukunft gibt.
Aber gerade jetzt, da der Abbau des Lokal- und Regionaljournalismus bei den gedruckten Medien immer radikalere Ausmasse annimmt, will der zuständige Bundesrat auch bei den elektronischen Medien den Rotstift ansetzen. Wenn es nach Bundesrat Rösti geht, sollen die Haushaltsabgaben, über welche diese privaten Radio- und Fernsehstationen zu einem erheblichen Teil finanziert werden, zusammengestrichen werden.
Zwar spricht Bundesrat Rösti immer nur davon, der ungeliebten SRG die Mittel kürzen zu wollen. Dass er damit gleichzeitig den Lokal- und Regionalsendern das Wasser abgräbt, weil eben auch deren Subventionen aus der Haushaltsabgabe finanziert werden, verschweigt er wohl bewusst. Da der Verteilschlüssel im Gesetz steht, führt eine Senkung der Abgabe für die SRG nämlich automatisch auch zu einer Senkung der Anteile für die privaten Sendeunternehmen.
Lokaljournalismus braucht staatliche Förderung
Die Entwicklungen bei Tamedia und CH Media AG machen deutlich, dass sich Lokaljournalismus nicht mehr aus dem lokalen Markt heraus finanzieren lässt. Das liegt nicht am fehlenden Interesse des Publikums, sondern an der Tatsache, dass die grossen Medienunternehmen nicht mehr bereit sind, die lokalen Medien über ihre Werbeerträge quer zu subventionieren, wie sie es über Jahrzehnte hinweg getan haben. Man kann das bedauern, doch wird sich daran in absehbarer Zeit nichts ändern. Die Profitlogik der grossen Medienunternehmen steht dem entgegen.
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Wer Medienvielfalt auch auf lokaler Ebene im Interesse einer demokratischen Gesellschaft für notwendig hält, muss daher auf anderem Wege dafür sorgen, dass es diese Medienvielfalt auch in Zukunft gibt. Der bisher einzige plausible Weg dahin ist eine staatliche Medienförderung, die nicht mehr an die technische Verbreitungsart anknüpft, sondern an die Inhalte. Gefördert werden muss, wer lokale und regionale Informationen generiert und verbreitet. Ob diese Informationen gedruckt, online zugänglich gemacht oder via Radio oder Fernsehen gesendet werden, sollte keine Rolle mehr spielen.
Eigentlich weiss das auch das zuständige Bundesamt für Kommunikation, wie dessen frühere Gesetzesvorschläge illustrierten. Offenbar gelingt es dem Bundesamt aber nicht, den eigenen Departementschef, Bundesrat Rösti, zu überzeugen. Dieser scheint nämlich noch immer nicht verstanden zu haben, dass es beim Thema Medienförderung nicht um die SRG geht, sondern um eine informierte Öffentlichkeit auf der Gemeinde- und Kantonsebene und damit um einen Grundpfeiler der direkten Demokratie.