Der Auftrag in der kantonalen Kulturstrategie lautet folgendermassen: «Sehr enge Zusammenarbeit oder Fusionsprozess zwecks Erreichung einer optimalen nationalen und internationalen Ausrichtung» von Kunstmuseum Bern und Zentrum Paul Klee (ZPK). Der Grosse Rat hat die Absicht des Regierungsrats – Fusion – ergänzt. Das war im Frühjahr 2009. Viereinhalb Jahre und drei Projektanläufe mit entsprechenden Kosten später ist die Fusion vom Tisch. Seit kurzem liegt ein Vorschlag vor, um den Pelz zu waschen ohne ihn nass zu machen; der kleinste gemeinsame Nenner. Dieser Vorschlag weist unseres Erachtens drei gute und vier problematische Aspekte auf. Sowie eine grosse Lücke.
Das Positive
Gut ist die Idee eines einzigen Stiftungsrats, der zwei Häuser führt. Er muss sich ständig mit beiden Institutionen befassen, kann nicht die eine gegen die andere ausspielen. Automatisch wächst so im Alltag das Gemeinsame, schwindet das Trennende.
Gut ist die Entschuldung des ZPK als Voraussetzung (und die Zusammenführung der Gebäude- sowie der Betriebsstiftung). Damit wird endlich jener Zustand hergestellt, der bei der Eröffnung des ZPK 2005 aus rein politischen Gründen nicht geschaffen werden konnte. Dies trug dem ZPK den Ruf eines «Fasses ohne Boden» ein, zu Unrecht. Gut, dass hier eine Korrektur greift, hoffentlich nachhaltig.
Gut ist, dass auf mittlere Sicht, also bis etwa 2020, die Gesamtsubvention an beide Häuser nicht reduziert werden soll. Dies bedeutet, dass jede betriebliche Optimierung der Kunst zu Gute kommt. Hoffen wir, dass entsprechend optimiert wird.
Das Problematische
Problematisch finden wir, dass die Häuser als Betriebsorganisationen getrennt bleiben und, wie es heisst, ihre Identität weiterführen sollen. Identität tönt gut; das Wort beinhaltet aber auch Gärtchendenken, Selbstbezogenheit, Abwehr des anderen. Vorerst gilt also ein Heimatschutz für die unterschiedlichen Betriebskulturen. Gerade dort, bei den «weichen Faktoren» müsste man aber ansetzen, wenn man harte strukturelle Änderungen scheut.
Die Beibehaltung des je eigenen wird noch gestärkt dadurch, dass die Häuser auch in der nächsten Periode (2016 bis 2019) getrennte Leistungsvereinbarungen und Subventionen erhalten sollen. Damit wird die strategische Steuerungsmöglichkeit des neuen Stiftungsrats eingeschränkt, ja eigentlich konterkariert. Wir empfinden dies als paradox.
In die gleiche Richtung problematisch ist die Absegnung des Projekts zur Erweiterung des Raums für Gegenwartskunst im KMB. Dies überzeugt nicht. Es ist ein Murks, der für hohe Investitions- und einige Folgekosten wenig Raum bringt. Es zementiert die Idee des «Wir hier – ihr dort». Mit der Eröffnung des ZPK ist in Bern zusätzlicher Ausstellungsraum von 2500 Quadratmetern entstanden. Bei sinnvoller gemeinsamer Bespielung der bestehenden Flächen an der Hodlerstrasse und im Schöngrün könnten diese vorerst ausreichen.
Am unangenehmsten berührt, dass die Lösung nicht ausgewogen erscheint. Mit fadenscheinigen, unbelegten Argumenten – wie der drohenden Abwanderung assoziierter Stiftungen aus dem Kunstmuseum – wird eine Lösung konstruiert, die das KMB als Sieger erscheinen lässt, der nur die unvermeidbaren Zugeständnisse machen musste. So entsteht kein Fundament für ein neues, gemeinsames und zukunftsgerichtetes Handeln.
Was fehlt: Die Kunsthalle
Wenn das Kunstmuseum und das ZPK eng zusammenarbeiten, wie auch immer, betrifft dies den Kunstplatz Bern als Ganzes. Zu diesem gehört – real und als Mythos – die Kunsthalle. Deren besonderer Auftrag ist unscharf geworden in einer neuen Kunstlandschaft, in der sich das Kunstmuseum im Kontext der Sammlung mit Gegenwartskunst positioniert, das ZPK mehr und mehr sich der Gegenwartskunst widmet, beide künftig gemeinsam Ausstellungen zeitgenössischer Kunst gestalten sollen.
Dazu sind Off-Spaces, Kunsträume und Galerien aktiv und werden unterstützt. Um Bern herum agieren mit dem Museum Franz Gertsch Burgdorf, dem Centre Pasqu’Art Biel, dem Kunstmuseum Thun und jenem in Langenthal weitere Häuser im gleichen Feld. Schliesslich ist mit der Hochschule der Künste ein wichtiger Ort entstanden, in dem Kunstschafende aus- und weitergebildet werden. Im Moment, wo «When attitudes become form» in Venedig musealisiert wird, ist es an der Zeit zu prüfen, welches der ureigene Beitrag der Kunsthalle für den Kunstplatz, die Künstler, die Bevölkerung sein soll.
Dabei könnte es für die Kunsthalle interessant sein, sich an ihre Anfänge als Selbsthilfeprojekt der Künstlerinnen und Künstler zu erinnern. Bei der Diskussion über die Zukunft müssen jedenfalls die Kunstschaffenden eine wichtige Rolle spielen. Ebenso das Publikum, also die an der Kunst interessierten Leute. Heute wird ja allgemein die Mitsprache eingeengt auf Funktionsträger, Sammler und Händler. Sie sind wichtig, aber gleich wichtig sind unter dem Anspruch der Kunst für alle eben «die Leute».
Es wäre schön, wenn die Kunsthalle die Debatte – nicht nur eine Petition – anstossen würde. Vielleicht bildet sich daraus ein Netzwerk für Gegenwartskunst im Sinne des aktuellen Schaffens und Denkens und Weiterdiskutierens. Und vielleicht widmet sich eine Institution – warum nicht die Kunsthalle? – federführend dem Anregen, Zusammenbringen und Verknüpfen der Interessierten – nicht solitär, sondern die andern Orte einbeziehend, ins Licht rückend, stärkend. So könnten die Kunstorte in Komplizenschaft mit den Künstlerinnen und Künstlern sowie dem Publikum den Kunstplatz Bern stärken.
Bloss eine Idee. Aber eben: Im Plan von Kunstmuseum und ZPK steht kein Wort dazu. Schade.
Unser Fazit
Das Kunstmuseum und das ZPK fahren also weiter auf parallelen Schienen. Im Unendlichen werden sie zusammenkommen. Ist das nicht auch für das bernische Geschwindigkeitsempfinden ein etwas langer Zeitraum für eine spürbar bessere Lösung? Für eine Lösung, die mehr möglich macht für die Kunst und die Künstler? Aber jene ist stumm und diese wurden nicht gefragt.
Dorothe Freiburghaus, Marianne Gerny, Christoph Reichenau, Bernard Schlup, Peter Siegenthaler