Der Theatersaal ist in sachtes lilafarbenes Licht gehüllt. Sobald sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnen, wird klar: Hinter dem DJ-Pult steht niemand Geringeres als Ernesto Che Guevara. Je nach Grad der Vorliebe für linke Romantik entweder Widerstandskämpfer, Guerillero und Revolutionsführer, oder Mörder, Aufständler, Ideologe.
Mit glitzerndem Make-Up, Mütze auf dem Kopf und Stumpen im Mund inszeniert die Künstlerin Daniela Ruocco ihren Che. Ihr Stück Piñata sei ein Live-DJ-Set für eine Guerilla-Drag-Performerin. Sie wolle darin den Mythos Che Guevara zerschlagen, so wie eine Piñata aus Papmaschee an einem Kindergeburtstag.
Che Guevara war in Ruoccos Leben schon immer präsent. Ihre Eltern haben den ihn glorifiziert. Vor ein paar Jahren hat das Schlachthaustheater seine Schauspieler:innen als Berühmtheiten inszeniert. Ruocco verkleidete sich als Che, und sah ihm zum Verwechseln ähnlich. «Der Wunsch meiner Mutter ist in Erfüllung gegangen», lacht Ruocca. «Ihre Tochter ist eine Guerillera geworden!». Für Ruocco selbst sei das gleichermassen Ehre und Bürde gewesen.
In ihrer Performance zerpflückt Daniela Ruocco den Che: Sie übersetzt ihn in die Gegenwart, entstaubt ihn, macht ihn zart, feministisch und kraftvoll. Für Ruocco geht es dabei um die sanfte Revolution. «Wenn ich an die Revolution denke, denke ich immer an etwas Hartes, etwas Bewaffnetes und Lautes». Es gebe aber auch sanfte Formen der Revolution: Eine unbequeme Wahrheit aussprechen, unangenehme Fragen stellen, sich solidarisch zeigen: all das seien auch Formen des Widerstandes, so Ruocco.
Das Bild Guerrillero Heroico wurde im Mai 1960 von Alberto Korda auf Havanna geschossen und gilt als berühmteste Fotografie der Welt. Die Replik des Fotos ist auf etlichen Taschen, Tattoos und natürlich T-Shirts zu sehen. Anders als dieses schwarz-weissem Konterfei lässt Ruoccos Inszenierung des Che Guevara viel Raum für Grautöne. Diese Ambivalenzen zwischen Sanftheit und Widerständigkeit sei das Herzstück der Inszenierung.
«Ich glaube nicht daran, dass Dinge entweder schwarz oder weiss sind. Es geht um das Dazwischen: Die Zwischentöne, die Zwischenidentitäten.» Diesen Suchbewegungen setzt Daniela Ruocco sich selbst und dem Publikum in ihrem Stück gekonnt aus.