Das Wochenende des Berner Films

von Sandro Bizozzero 10. November 2023

Mitte November stellt BE MOVIE Berner Filme in den Mittelpunkt: In elf Kinos an acht Orten und per Online-Streaming wird die Vielfalt des aktuellen Berner Filmschaffens präsentiert. Im Fokusprogramm richtet das diesjährige BE MOVIE den Blick auf jene Menschen, die für Magie auf der Tonspur sorgen: die Berner Tonmeister*innen, Sounddesigner*innen und Filmkomponist*innen.

Vom 17. bis 19. November zeigt BE MOVIE eine Auswahl aktueller Berner Filmproduktionen und präsentiert die drei Gewinnerfilme des Berner Filmpreises 2023 sowie einen Dokumentarfilm über die Regisseurin Lucienne Lanaz, die für ihr filmisches Schaffen und unermüdliches Engagement mit einem Spezialpreis geehrt wird. Insgesamt stehen sechzehn Langfilme und sieben Kurzfilme auf dem Programm. Als Wildcard exklusiv nur im Kino laufen zudem «Mad Heidi» und der Kurzfilm «Fälle».

Die Gewinner*innen des Berner Filmpreises 2023

Lucienne Lanaz
Die Autorin, Regisseurin und Produzentin Lucienne Lanaz lebt und arbeitet seit vielen Jahren in einem Bauernhaus im bernjurassischen Grandval. Lanaz ist in Zürich aufgewachsen und pendelte berufsbedingt viele Jahre zwischen Zürich, Bern und dem Jura. Die Dokumentarfilmerin hat fast alle ihre Filme selber produziert. Über die 70er-Jahre urteilt Lanaz ebenso kritisch wie ihre Kolleginnen. Frauen seien damals einfach nicht beachtet worden, «les femmes, elles n’existent pas». In ihrem Haus in Grandval wurde 1975 der Verein «CH-Filmfrauen» gegründet. Lucienne Lanaz hat insgesamt über 30 Kurz- und Langfilme gedreht, zuletzt 2021 «Gianerica», ein Porträt des Künstlerpaars Erica und Gian Pedretti.

Lucienne Lanaz ist «L’incroyable Lulu» (Foto: Olivier Zahno).

In Mathias Wältis Dokumentarfilm «L’incroyable Lulu» erzählt Lucienne Lanaz aus 80 Jahren Leben. Bis heute dreht sie ihre Filme jenseits traditioneller Produktionsabläufe. Im Rhythmus der Erinnerungen entdeckt man eine engagierte Frau. Um sich ihren Lebenstraum zu erfüllen, hat sie nebenher in vielen anderen Berufen gearbeitet und den vollen Preis für ihren unbändigen Freiheitswillen entrichtet. Davon berichtet Lulu klarsichtig und mit unendlicher Liebe zum Leben.

«The DNA of Dignity» von Jan Baumgartner
Der Film «The DNA of Dignity» thematisiert den Balkankrieg der 90er-Jahre, der die Ursache für das Verschwinden Tausender Menschen war. Ihre sterblichen Überreste drohen für immer verschollen zu bleiben. Mit einem einfühlsamen Blick porträtiert Jan Baumgartner Hinterbliebene und Überlebende, die ihre Hoffnungen in Ausgrabungen und in die Arbeit der Wissenschaft setzen.

Im Film sehen wir forensische Anthropologinnen und Archäologen, die hochkonzentriert hantieren, um den gefundenen Knochen wieder Gestalt und Identität zu geben. «The DNA of Dignity» wurde national und international an verschiedenen Filmfestivals gezeigt.

Der Film «The DNA of Dignity» geht dem Balkankrieg auf die Spur.

«Bratsch – Ein Dorf macht Schule» von Norbert Wiedmer
Im Oberwalliser Dorf Bratsch leben 2015 gerade noch hundert Menschen. Seit der Gemeindefusion mit Gampel unten im Tal steht das Schulhaus leer. Da soll sich etwas ändern. Der Film dokumentiert die Entwicklung und die Veränderungen im Dorf seit der Wiedereröffnung der Schule im Herbst 2016 bis in die Gegenwart.

Mit «Bratsch – Ein Dorf macht Schule» ist Norbert Wiedmer ein feinfühliges Porträt über ein aussergewöhnliches Schulprojekt gelungen. Seit über 40 Jahren arbeitet er als unabhängiger Filmschaffender, Kameramann, Cutter und Dozent. Neben internationalen Auszeichnungen wurde er mehrfach mit dem Filmpreis des Kantons Bern ausgezeichnet. Im Jahr 2000 erhielt Wiedmer den Schweizer Filmpreis für seinen Dokumentarfilm «Schlagen und Abtun».

Still aus dem Film «Bratsch – Ein Dorf macht Schule» – ein Porträt über ein Schulprojekt der anderen Art.

«Peter K. – Alleine gegen den Staat» von Laurent Wyss
Der Spielfilm «Peter K. – Alleine gegen den Staat» basiert auf der wahren Geschichte des Bielers Peter K., die vor ein paar Jahren für grosse mediale Aufmerksamkeit sorgte. Nach dem Tod seiner Mutter droht Peter K. die Zwangsräumung des Elternhauses. Er kämpft um sein Heim, um es vor seiner Schwester, der Stadtverwaltung und schliesslich der Polizei zu verteidigen. Seine Theorien und Schriften entwickeln sich zu einer gewalttätigen Realität. Seine wachsende Angst und Einsamkeit bringen Albträume aus der Kindheit hervor, während die Gerichtsverhandlung und auch der Film eine dunkle Familienvergangenheit offenbaren.

Der Regisseur Laurent Wyss hat die Schriften von Peter K., die Presseberichte und Gerichtsprotokolle verwendet, um den subjektiven Erzählstil des Films zu entwickeln, der uns K.s verengte Sichtweise erleben lässt. Der Berner Manfred Liechti wurde für die Rolle des Peter K. mit dem Schweizer Filmpreis 2023 als bester Schauspieler ausgezeichnet.

Fokus «Sound & Vision»

Wie jedes Jahr steht ein bestimmter Aspekt des Berner Films im Fokus. Das diesjährige Fokusprogramm «Sound & Vision» (siehe Box) widmet sich den Berner Tonmeister*innen, Sounddesigner*innen und Filmkomponist*innen. Filme leben nicht vom Bild alleine. Das asynchrone Ticken in einer Uhrenfabrik, der Schrei einer jungen Rapperin ins Mikrofon, bedrohliche Paukenschläge, wenn sich die Bösewichte nähern: Die Tonspur prägt das filmische Erlebnis, löst Emotionen aus, unterstreicht die Handlung und sorgt für unterhaltsame Zwischentöne.

Am Eröffnungsanlass kommentieren der Musiker und Komponist Mario Batkovic und der Tonmeister und Sounddesigner Balthasar Jucker Ausschnitte aus Filmen, bei denen sie mitgewirkt haben. Wo wird nach welcher Klangfarbe verlangt und wann steht welcher Soundeffekt im Zentrum? Und wie unterscheiden sich die beiden Berufe genau? Dies soll dem Publikum im Panel «Sound & Vision» – moderiert von Hannes Liechti von der Musikplattform Norient – vor Augen geführt werden. Wie das Komponieren von Filmmusik konkret abläuft, können junge Interessierte im Kinderworkshop mit dem Regisseur und Filmkomponisten Martin Skalsky herausfinden.

Stimme dich ein mit dem BE MOVIE-Trailer:

BE MOVIE: 7 Kurzfilme und 16 Langfilme, inklusive der Filmpreisträger*innen 2023 können in Kinos im Kanton Bern von Meiringen bis St.Imier entdeckt werden – in Anwesenheit der Filmschaffenden und mit thematischem Rahmenprogramm. Die vielfältigen Kurz- und Langfilme können auch per Online-Streaming geschaut werden. Der Filmpass für 20 Franken gibt mit dem persönlichen Login Zugang zu allen Vorstellungen der 11 Kinos inklusive Rahmenprogramm und zu allen Filmen auf der Online-Plattform.

Der Filmpass kann in der Kornhausbibliothek, der Münstergass Buchhandlung, der Schlossdrogerie Jutzi Oberhofen oder online gekauft werden. BE MOVIE ist eine Veranstaltung der Kulturförderung des Kantons Bern, organisiert vom Verein «Bern für den Film».