Peter Eichenberger (* 1948) hat sich neu erfunden. Früher kannte man ihn als Mitarbeiter der Münstergassbuchhandlung, als Stadtrat der Progressiven Organisationen der Schweiz (POCH), als Journalist und Redaktor der «Berner Tagwacht», später der Gewerkschaftszeitung «Work».
Asyl und Integration im Fokus
Nach seiner Pensionierung hat er sich nun der Fotografie zugewandt, die er zuvor als Hobby gepflegt hat. Er besuchte einen Weiterbildungskurs an der Schule für Gestaltung und anschliessend die Klasse 10.10.be der «Gruppe autodidaktischer Fotografen und Fotografinnen» (GAF).
Seither hat er drei fotografische Sozialreportagen gemacht, die die Themen Asyl und Integration umkreisen: Unter dem Titel «Ein Tag in la CULTina» arbeitete er 2012 mit den Flüchtlingen und Asylsuchenden, die im Schulrestaurant am Eigerplatz eine Erstausbildung in Gastronomie absolvieren. Dann publizierte er am 17. Dezember 2014 im «Berner Landboten» seine Reportage über das beispielhafte Durchgangszentrum Riggisberg auf dem Längenberg.
Und nun ist im Rahmen der Aktionswoche der Stadt Bern gegen Rassismus seine dritte Arbeit zu sehen: die Fotoreportage «E suberi Sach. Unterwegs mit dem Team Sauber BERNMOBIL», die zwischen Januar und August 2014 entstanden ist.
Integrations-, nicht Arbeitsprojekt
«Auf die Idee gekommen bin ich, weil mich die Leute in dem ‘Team Sauber’-Overalls, die mit Putzkessel und Abfallsäcken in Trams und an Haltestellen unterwegs waren, interessierten», sagt Eichenberger. «Ich wollte wissen, was das für Leute sind und warum sie diese Arbeit machen.» Ein gutes halbes Jahr lang arbeitete er mit dem Team Sauber. Er begleitete sie in den Trams, beim Reinigen an den Haltestellen, beim Graffiti-Entfernen an Mauern und Stelen und im Kompetenzzentrum Integration während des Sprach- und Computerunterrichts. Mit drei Mitarbeitern entstand so ein persönlicher Kontakt, der mit der Zeit das Fotografieren im privaten Umfeld möglich machte.
«Im Team Sauber arbeitet und lernt man freiwillig. Als Lohn wird der Sozialhilfebeitrag um den Freibetrag von 200 Franken aufgestockt», sagt Eichenberger. Die Kritik, die im Dezember 2014 mit einer Plakataktion gegen das Projekt vorgebracht wurde – dass die MigrantInnen «in ihrer alternativlosen Situation […] ausgenutzt» würden –, ist für Eichenberger nicht stichhaltig. «Für Asylsuchende wäre die Alternative in aller Regel nicht ein besserer Lohn, sondern perspektiveloses Herumhängen. Das Team Sauber ist kein Arbeits-, sondern ein Integrationsprojekt.»
Es gehe «um die unterste Stufe der Arbeitsintegration, um ein ‘Arbeitstraining’, aus dem später eine Praktikumsstelle oder eine Lehre resultieren kann.» Aus Gesprächen weiss er, dass die Leute zumeist froh sind, mitmachen zu können, weil sie etwas zu tun haben und etwas lernen können. «Und sie erzählen, dass sie während ihren Einsätzen kaum schlechte Erfahrungen machen und ihre Arbeit häufig geschätzt wird.»
Integrationserfolge und -misserfolge
Es gibt zum Beispiel die Geschichte des Eritreers Zerom, eines Lehrers. «Nach seiner Zeit im Team Sauber, wo ich ihn kennengelernt und fotografiert habe, hat er in Biel eine Praktikumsstelle in einem Pflegeheim und in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung B bekommen. Ende November 2014 konnte er nach Jahren der Trennung seine Frau aus dem Sudan in die Schweiz nachholen. Und neuerdings ist klar, dass ihn sein zufriedener Arbeitgeber ab August in die zweijährige Lehre zum Fachmann Gesundheit schicken will.»
Freilich kennt Eichenberger auch andere Geschichten. Zum Beispiel jene von Mohammad aus Bangladesh, eines Sozialarbeiters, der sich als politischer Flüchtling bezeichnet hat. «Als ich bei ihm zuhause fotografierte, hatte er eben den negativen Asylentscheid erhalten und sagte, er suche sich einen Anwalt, um Rekurs zu machen. Als ich ihm drei Tage später meine Bilder vorbeibringen wollte, war er verschwunden. Seither ist sein Handy ausser Betrieb. Ich habe nichts mehr von ihm gehört.»
Es braucht andere Geschichten
Warum sich Eichenberger nun schon zum dritten Mal über längere Zeit intensiv mit AsylbewerberInnen und Flüchtlingen auseinandersetzt, hat einen Grund: «Ich finde, wir müssen andere Geschichten erzählen als jene, die wir täglich von den Medien vorgesetzt bekommen.» Es gehe darum, den Leuten, die hierher kommen, ein Gesicht zu geben und ihnen zuzuhören. Das sei oft spannend, auch wenn er nichts glorifizieren wolle.
«Aber ärgerlich ist, wie willfährig die Medien jedes Detail der andauernden fremdenfeindlichen Kampagne der SVP kolportieren und mit Kommentaren und Arena-Diskussionen zusätzlich aufblasen.» Die Medien hätten eine Verantwortung für das Klima im Land: «Diese Hasskampagne brennt sich langsam aber sicher in die Köpfe ein. Das ist gefährlich. Darum braucht es andere Geschichten.»
Zum Beispiel jene, die Eichenbergers Fotografien vom Team Sauber erzählen.