Das Süri-Gmüesabo

von Johannes Wartenweiler 27. November 2018

Saisonales, frisches, biologisch angebautes Gemüse aus dem Berner Westen. Nachdem sie das Angebot aufgebaut haben, kämpft die Genossenschaft «Süri – solidarisches Gemüse» um ihr Weiterbestehen.

An der Frische des Gemüses kann es nicht liegen, dass die Genossenschaft Süri ein Jahr nach Beginn ihres Betriebes noch nicht dort ist, wo sie gern wäre. Es fehlen immer noch einige Gmües-Abos um den Betrieb 2019 weiterzuführen. Sabine Lenggenhager von der Betriebsgruppe streicht einen sehr praktischen Vorteil heraus: «Das Gmües-Abo nimmt mir die Entscheidung ab ob ich frisch geerntetes Bio-Gemüse auf dem Teller habe oder Gemüse, das nach zwei Tagen Anfahrt noch fünf Tage im Gestell des Grossverteilers gelegen hat» Das Gmües-Abo ist der Ankerpunkt des Projekts, welches die Genossenschaft seit einem Jahr auf rund 25 Aren in der Nähe von Rosshäusern betreibt. Einmal pro Woche erhalten die AbonnentInnen einen Chratten biologisches Gemüse an einen Standort in ihrer Nähe geliefert. Sie können dafür unter verschiedenen Angeboten auswählen. Ein Anteil Feldarbeit gehört dazu. Ganz nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft – Aufwand, Risiko und Ertrag werden gemeinsam von den Produzenten und Konsumenten getragen – bestimmt die Ernte Zusammensetzung und Menge des Gemüses. Im Sommer gibt es zum Beispiel Tomaten, Auberginen und Zucchetti, im Winter Kohl und Karotten.

In den kommenden Tagen und Wochen stellt sich die Frage: Kann die Genossenschaft Süri dieses Angebot weiterführen? Oder muss sie es auf Eis legen, weil sie am Ende des ersten Betriebsjahres nicht die nötige Mindestgrösse erreicht hat? Die GenossenschafterInnen werden darüber am 1. Dezember 2018 entscheiden.

P.M. und die Folgen

Das Süri-Projekt basiert auf Überlegungen wie sie unter anderem der Zürcher Sozialutopiker P. M. formuliert hat. Städtische und ländliche Gemeinschaften sollen sich verbinden und so autonome Produktionsräume schaffen. Die Genossenschaft Süri spricht von Solidarischer Landwirtschaft (Solawi). Der städtische Anteil dieser Konzepte hat eine lange Geschichte, die Ergänzung auf dem Land ist aber noch nicht so weit.

Der Quartierhof in der Lorraine gab vor einiger Zeit den entscheidenden Impuls, als er einer Gemüsegärtnerin den Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstückes in Süri ermöglichte – just dort wo der Forst aufhört und den Blick freigibt übers Seeland bis zum Jura. Auf diesem Grundstück richtete sich die Gemüsegärtnerin ein, in deren Fahrwasser das Projekt «Süri –solidarisches Gemüse» entstehen konnte. Seit 2018 wird gesät und geerntet. Und zwar nicht wenig. Die Gemües-Abis der letzten Monate waren üppig und forderten von den KonsumentInnen einiges bezüglich intelligenter Verwertung ab. 
Mehr Abos sollten hier Entspannung bringen. 2018 erklärten sich 32 Parteien zum Kauf eines Abos bereit, das zwischen 1100 und 2200 Franken kostete. Dazu kamen noch die Ernteanteile für die aktiven GenossenschafterInnen der Betriebsgruppe. «Für 2019 brauchen wir mindestens 45 Abos, damit wir mit unserem Betrieb weitermachen. Langfristig müssen wir aber 70 – 80 Abos anstreben» sagt Sabine Lenggenhager. 45 Abos sind über den Daumen gepeilt 40 000 bis 50 000 Franken. Daraus zu finanzieren sind der Lohn des teilzeitangestellten Gemüsegärtners sowie alle sonst anfallenden Betriebskosten. (Die verschiedenen Abos für 2019 finden sich hier)

Mit dem Erwerb eines Abos wird man GenossenschafterIn. Man verpflichtet sich, bei der Arbeit zu helfen: Ernten, Rüsten und Verpacken oder Ausliefern. Wobei die Solidarität auch finanziell gedacht ist: Ab 2019 ist ein Abo auch ohne Landarbeit, dafür gegen höhere Bezahlung möglich. «Wir haben gemerkt, dass es nicht allen liegt, Gartenarbeit zu erledigen», so Leggenhager, «selbst wenn sie die Idee gut finden».

Betriebsgruppe als Motor

Eine zehnköpfige Betriebsgruppe entwickelt mit erheblichem Aufwand seit 2016 das Projekt. Von der ersten Gruppe sind noch drei Personen dabei. «Mit den neu dazugekommenen Mitgliedern der Betriebsgruppe ist Vielfalt sichergestellt», sagt Sabine Lenggenhager. Beteiligt seien etwa eine Agronomin, ein Lehrer, eine Grafikerin oder eine Sozialanthropologin. Entscheidend ist die Arbeit im Garten, wo dem angestellten Gärtner eine zentrale Aufgabe zukommt: «Er muss sicherstellen, dass die Fruchtfolge stimmt, dass das Gemüse die optimalen Wachstumsbedingungen hat und dass die Schädlinge die Ernte nicht allzu sehr beeinträchtigen». Das gehe schnell ans Eingemachte. «Wir hatten im Sommer kaum Salat, weil sich der Drahtwurm in der frisch aufgebrochenen Erde verbreiten konnte», sagt Leggenhager. Dafür gab es jede Menge Randen, Kürbis und Quitten. Das Gemüse ist selbstverständlich Bio-Anbau unter dem Knospe-Label.

Das Projekt hat zweifellos Erde unter den Fingernägeln. Aber es wird www-mässig über my.sueri.org gemanagt. AbonnentInnen melden sich per Internet an und geben auch per Internet ihre Arbeitseinsätze bekannt. So bleibt für die Betriebsgruppe in diesem Bereich ein überschaubarer Aufwand.

Die Gretchenfrage

Gmües-Abo aus der Lorraine ist das eine gute Idee? Die Bio-Angebote sind im Quartier vergleichsweise dicht: Q-Laden und Lola sind die Lokalmatadore und auch die Migros hat ein Bio-Angebot. «Es ist schon ein schwieriges Pflaster», sagt Leggenhager, «aber wir wollen uns auch nicht nur auf die Lorraine beschränken.» Depots im Tscharnergut, beim Postparc, oder im Breitenrain weisen darauf hin, dass man auch anderswo das Angebot schätzen lernt. Das Gmüesabo aus der Süri wird zudem kräftig vom Q-Laden unterstützt mit Werbung. Eine weitere Herausforderung ist die Konkurrenz etwa durch das Radiesli aus Worb oder Tapatate aus Wallenbuch/FR, die beide ähnliche Konzepte verfolgen. «Konkurrenz ist das falsche Wort», sagt Leggenhager, «wir alle wollen das Konzept der solidarischen Landwirtschaft entwickeln und die Beziehungen zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen vertiefen. Wir wollen einen Weg aus der Nische finden, in der wir uns im Moment noch befinden.» Sabine lächelt zuversichtlich.