Das Spiel, die Stimmen, die Performance

von Christoph Reichenau 13. März 2020

Bratsche und Saxofon, eine rare Besetzung. Doch eine Bratschistin aus Frankreich und eine Saxofonistin aus Deutschland lernten sich an der Musikhochschule Luzern kennen. Seit 2016 sind sie das Duo Klexs. 2019 gewannen sie den zweiten Preis im renommierten Concours Nicati-de Luze in Bern. Am Dienstag treten sie im ONO auf.

Klexs kommt von Klecks, Farbklecks – ein Tropfen Buntheit, aber nicht unabsichtlich hingetropft, sondern bewusst hingesetzt. Eine kleine Freude.

So versteht und nennt sich das Duo Klexs. Léa Legros Pontal und Silke Strahl sind nach dem Hochschulabschluss auf ihrem Berufsweg als Musikerinnen. Sie spielen in verschiedenen Formationen, gestalten Festivalprogramme mit, sind Zuzügerinnen bei angesehenen Ensembles und Orchestern. Und sie gestalten Programme von Musivermittlung in Kindergärten und Schulen.

Voix

Ihr Programm im ONO heisst «Voix». Es spürt in fünf Teilen den Stimmen ihrer Instrumente nach, die so unterschiedlich sind. Wie verbinden, wie vereinzeln sich die Stimmen der Bratsche und des Saxofons, welche Töne, Klänge, Stimmungen erzeugen sie zusammen?

Zwei Kompositionen gehören in ihr bereits beachtliches Repertoire. Vom Engländer Matthew Shlomowitz «Letter Piece N. 5 (Northern Cities)», vom Dänen Simon Steen-Andersen «Difficulties putting it into practice».

Drei sind neu, eigens für das Duo geschaffen dank der finanziellen Unterstützung durch die selektive Produktionsförderung Luzern. Sie stammen von den Luzernen TonkünstlerInnen Asia Ahmetjanova, Zita Bucher und Urban Mäder. Die Stücke beziehen sich auf den Begriff «Voix» und interpretieren diesen ohne weitere Vorgaben.

Performance

Asia Ahmetjanova greift zurück auf den Elysée-Vertrag 1963, mit dem Charles de Gaulles und Konrad Adenauer 18 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg deutsch-französische Konsultationen in wichtigen politischen Fragen sicherstellten. «Die Komposition von Zita Bucher», schreibt Pirmin Bossart in der Luzerner Zeitung, «konzentriert sich im minimalistoischen Gestus mit Glissandi und repetitiven Phrasen auf die klangliche Annäherung der beiden Instrumente. Und Urban Mäders Komposition experimentiert in sechs Modulen an verschiedenen Bühnenstandorten damit, wie es sich gleichzeitig mit Musik und Stimme spielen lässt.»

Es ist keine rein musikalische Darbietung. Oder vielleicht ist es – im ganz ursprünglichen Sinn – eine zutiefst musikalische Darbietung, indem die Stücke auch performt werden, wie es ein Video zeigt, mit dem das Duo auf sich aufmerksam macht.

Neue E-Musik

Für viele Zuhörerinnen und Zuhörer ist Neue E-Musik – komponiert oder improvisiert – «schwierig», da ungewohnt. Ungewohnt, da sie recht selten zu hören ist; recht selten zu hören, da sie ungewohnt ist und also kein Programmknüller. Die Antennen sind nicht auf sie eingestellt, Neugier ist nicht allzu verbreitet, Vertrautheit (noch) nicht gegeben. Das Programm «Voix» im ONO kann eine Entdeckungsreise werden.

Beim «Fremdeln» mit Neuer E-Musik muss es nicht bleiben. Ich habe Silke Strahl kennen gelernt, als sie mit dem Saxofon im Kindergarten Winterhalde in Bümpliz im Rahmen des Projekts «Tönstör» Kinder an Töne, Tonerzeugung, Musik heranführte Geige spielte damals Laura Schuler. Die Musikerinnen «hatten» bald die Aufmerksamkeit der Jungen. Bald lauschten diese nicht nur mit offenen Ohren der Geige und dem Saxofon, sie erzeugten selbst mit Stiften, Stühlen, Gläsern und ihrem eigenen Körper Töne, Rhythmen, Stimmungen. Das geht, wenn man die Antennen richtig einstellt und (wieder) gewahr wird, wie es in unserer Umgebung piepst, zirpt, zwitschert, miaut, tropft, kurz: tönt, falls der überall gleiche Konservensound ausgeblendet wird.

Das wird im ONO gewiss weniger «kindlich», aber wohl kaum weniger anregend.