Journal B: Die Debatte im Grossen Rat zum neuen Lehreranstellungsgesetz wurde auf Juni verschoben. Glauben Sie, den Druck bis Juni aufrechterhalten zu können?
Martin Gatti:
Nachdem wir zuerst konsterniert waren, betrachten wir die Verschiebung inzwischen als Chance, weil wir somit mehr Zeit haben, um auf die Parteien, die Politiker und Politikerinnen einzuwirken sowie die Öffentlichkeit zu informieren.
Wie wollen Sie dieser Öffentlichkeit ihr Anliegen beliebt machen? Den Steuerzahlenden notabene, die sich für eine Senkung der Motorfahrzeugsteuern ausgesprochen haben und damit weitere Sparanstrengungen auslösten?
Es ist wichtig, dass die Folgen auf dem gesamten Spektrum der von den Sparmassnahmen betroffenen Angestellten gesehen werden und nicht nur für die Lehrpersonen. Wir wollen aufzeigen, dass aufgrund der sich verschlechternden Arbeitsbedingungen die Qualität des gesamten Service Public leidet.
«Viele Leute haben noch nicht verstanden, dass eine Kürzung von Lektionen Auswirkungen auf die Löhne des Lehrpersonals hat.»
Martin Gatti, Präsident von LEBE
Dennoch: Steht dem nicht ein immer noch weit verbreitetes Bild entgegen, wonach es sich bei Lehrerinnen und Lehrern um gutverdienende, mit Ferien verwöhnte Staatsangestellte handelt?
Ja, da gibt es erstaunlicherweise immer noch viel Informationsbedarf. Ich denke sogar, dass es viele Leute gibt, sie sich mit voller Absicht dagegen wehren, von der Realität des Lehrer-Lebens Kenntnis zu nehmen. Mit dem Grossanlass wollen wir ja gerade die Diskussion über die Fakten anregen. Viele Leute haben beispielsweise noch nicht verstanden, dass eine Kürzung von Lektionen Auswirkungen auf die Löhne des Lehrpersonals hat.
Was sagen Sie zum Argument, dass die Staatsfinanzen des Kantons Kompromisse von allen fordern, dass es nicht anders geht?
Die Sparmassnahmen der letzten Jahre haben auf Seiten der Lehrpersonen ausgeschöpft, was möglich war. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Erwartungen nicht unverhältnismässig sind. Wer im Interesse einer guten Bildung eine Abwanderung der Lehrpersonen in andere Kantone verhindern und den Beruf für Neueinsteigende attraktiv erhalten will, der kann nicht weiter an den Lehrern und Lehrerinnen sparen.
Was, wenn sich der Grosse Rat nicht beeindrucken lässt?
Ich bin überzeugt, dass der Grossanlass vom 16. März nicht ohne Folgen bleiben wird. Von der Politik ist jetzt Kreativität und Weitblick gefordert. Sie trägt die Verantwortung für ihre Beschlüsse und wird die Verantwortung für die Konsequenzen – also den Abbau des Service Public und Qualitätseinbussen in der Bildung – tragen müssen. Bis jetzt konnte das Parlament einfach «Sparen!» rufen und die Regierung musste die heissen Kartoffeln übernehmen, Sparvorschläge entwickeln und verantworten. Dies wollen wir mit der öffentlichen Debatte ändern. Wir wollen aufzeigen, welche Folgen die Parlamentsbeschlüsse haben werden, wer davon betroffen wird und wer letztendlich dafür verantwortlich ist.