«Das komische Örtlein Schöftland»

von Jessica Allemann 8. Oktober 2012

«Schöftland» präsentiert ihr neues Album. Wir haben mit Floh von Grünigen über «Schöftland» als Schnittstelle von Musik und Kunst, über Crowdfunding und über die zu grossen und zu kleinen Lokale in Bern gesprochen.

Mit der Berner Band «Schöftland» hat sich Floh von Grünigen anno 2005 ein Phantasieland geschaffen, das er nach und nach mit Bildern in Form von Texten und Gemälden füllt. In «Schöftland» wird in seinen Texten gesprochen, und es hat seiner Feder entsprungene Berge und Seen, Vögel und Kühe, Golfplätze und Skipisten. Journal B hat von Grünigen in seinem Atelier besucht und mit ihm über «Schöftland» als Schnittstelle von Musik und Kunst, über Crowdfunding und über die zu grossen oder zu kleinen Lokale in Bern gesprochen.

«Schöftland» verbindet deine Texte mit deiner Malerei – ist «Schöftland» dein persönlicher Kreativort?
Floh von Grünigen:

Ich habe die Band im Jahr 2005 mit dem Ziel gegründet, meine beiden Ausdrucksformen zu verbinden. Ich kann das Schreiben nicht vom Malen trennen. Manche Dinge eignen sich besser, um in einem Lied ausgedrückt zu werden, während andere Dinge einfacher gemalt werden können. Man erreicht so auch mehr Leute. Die einen interessieren sich mehr für die Bilder, andere vor allem für die Musik, und doch strahlt das eine immer auf das andere aus. Es gibt aber natürlich auch jene, die sagen «was will ich denn mit diesem Bildern?», weil sie einfach die Musik hören wollen – andere wollen lieber neue Bilder sehen als in einem Newsletter Informationen zur neuen CD lesen zu müssen.

Zu Schöftland gehört aber beides

Der Name «Schöftland» beschreibt ja auch ein ganzes Land, in dem vieles möglich ist, und in dem ich alles machen kann, auf das ich Lust habe. Die Band bietet den Rahmen für viele andere Projekte und ist in diesem Sinne schon eher ein ganzes Kunstprojekt als einfach eine Band.

Was singst du lieber, und wann greifst du zum Pinsel?

Ich bin eine nachdenkliche Person, aber gleichzeitig auch sehr humorvoll. Aber in den Songs mag ich keine Spässe machen, da gehört für mich eine gewisse Ernsthaftigkeit rein. Intensive Momente sind viel schöner, wenn sie tiefgründig behandelt werden. Deshalb mag ich keine lustigen Songs schreiben. Bei den Bildern habe ich dafür viel weniger Mühe, Witz reinzubringen. Da finde ich es auch cool, wenn man vor den Bildern steht und schmunzeln muss. Aber an den Konzerten finde ich das komischerweise nicht gut. Ich habe es lieber, wenn die Lieder ernsthafter sind. Und deshalb brauche ich beide Ausdrucksmittel, damit nicht auf einmal alles sehr ernst und grüblerisch ist.

Alle Artworks eurer CD-Covers, sämtliche Plakate, der Internetauftritte, entstammen deiner Feder, ist das nicht irgendwann eintönig?

Es macht mir Spass, mich mit eben all diesen Dingen auseinanderzusetzen. Es ist schön, wenn man sein eigenes Bild im CD-Regal wiederfindet und wenn Menschen, denen die Musik gefällt, auch die Bilder gut finden … Manchmal wirkt es vielleicht auch ein wenig «egomässig», wenn man alles alleine macht – aber es macht halt einfach zu grossen Spass, als dass ich es abgeben würde.

Sind denn die anderen Bandmitglieder damit einverstanden, dass du alle Fäden in den Händen hältst?

Ich glaube, sie sind sogar froh. Sie haben alle gar nicht so viel Zeit, wie ich, um über «Schöftland» nachzudenken.

Auf der Crowdfunding-Plattform we make ruft ihr nach finanzieller Unterstützung für euer neues Album auf, zum Dankeschön gibt es Postkarten, Plakate und Gemälde von dir. Du bietest auch an, ab einer gewissen Höhe des Gönnerbeitrags, deine Werke den Wünschen der Gönner entsprechend anzupassen. Opferst du deine künstlerische Autonomie zu Gunsten des finanziellen Erfolgs der Band?

(lacht und denkt länger nach) Also ich biete ja schon hauptsächlich Dinge an, die so aussehen, wie ich es bestimmt habe. Da spielt jetzt aber wohl der Humor rein, der zu dem komischen Örtlein «Schöftland» passt. Das fände ich jetzt einfach lustig. Wenn jemand käme, der meinte, dass auf eines der Gemälde irgendein anderes Wort als «Schöftland» gehöre, dann würde ich das eben gerne machen. Aber dazu ist es bis jetzt noch nicht gekommen. Und es wird wahrscheinlich auch niemand machen.

Per Crowdfunding habt ihr inzwischen mehr eingenommen, als ihr ursprünglich veranschlagt hattet. Werdet ihr nun reich?

Eine Band zu unterhalten ist ein sehr teures Hobby und das Atelier kostet auch monatlich Miete. Ich finde es deshalb völlig legitim, sich das mit Produkten, die man selber herstellt, zu finanzieren. Ich finanziere immer wieder Vorhaben quer mit bereits abgeschlossenen Projekten. Deshalb verkaufe ich die Originale des Artworks der Band auch gerne – das hilft unseren Finanzen und ist gleichzeitig für irgendwen schön zum Aufhängen. Hier im Atelier stapeln sich auch schon wieder viele Dinge. Es wäre schöner, wenn die bei irgendjemandem zuhause an der Wand hängen würden.

Das Album ist jedenfalls zustande gekommen und wartet nun frisch ab Presse auf seine Veröffentlichung. Drei Plattentaufen sind geplant, keine davon ist in Bern, wieso nicht?

Bern ist, was die Lokalgrössen angeht, ein wenig schwierig. Entweder sind die Räume zu gross oder zu klein für zwei- bis dreihundert Leute … Wir wollen sicher auch noch in Bern spielen, um den Release-Kreis zu schliessen. Aber wir haben einfach noch nicht den richtigen Ort dazu gefunden. In Thun spielen wir im «Mokka», weil Pädu Anliker uns unterstützt und in Zürich im «El Lokal» von Viktor Bänziger, weil er auch findet, dass das, was wir machen, eine gute Sache ist. Da gibt es in Bern halt einfach niemanden, der «Schöftland» so gut findet und sagt «ja klar, ihr könnt bei mir spielen».


Es ist nicht so einfach, wie es klingt

 «Wenn es läuft so wie du willst
dann lass es laufen 
und wenn du heiss hast dann geh baden 
und wenn du kalt hast zieh dir etwas an»

So einfach die gesungenen Problemlösungsansätze auch klingen mögen, die zunehmend unangenehm schrägen und verzerrten Klänge im Hintergrund von «Wenn es läuft», dem ersten Song auf dem neuen Album «Schöftland», deuten darauf hin, dass doch nicht alles so simpel ist, wie es einem die heiter dahin gespielte Musik vormachen möchte. Diese Vorahnung auf einen getrübteren Himmel über «Schöftland» bestätigt sich nach einem Umweg über Verliebtheit und verlebte Liebe.

 Der lähmenden Angst erwächst eine deutliche Kritik am Geist der Zeit. Nämlich dann, wenn Floh von Grünigen vom «Graf von Öderland», einem im Namen seiner Freiheit mordenden Bankangestellten aus einem Theaterstück von Max Frisch, von Ängsten vor «dem grossen Wandel», vor «dem immer Gleichen» und vor «dem Unbekannten» singt.

«der Schutz wird noch verbessert
und schränkt dich jetzt schon ein
aber für die Sicherheit muss jeder
vor sich selber sicher sein»

Der lähmenden Angst erwächst eine deutliche Kritik am Geist der Zeit. Eine Zeit, in der das Sicherheitsbedürfnis zum Hindernis wird, wo Beschleunigung das Gebot ist, sich Materialberge türmen, und der Recyclinggedanke eine leere Hülle im Kehricht ist. Und obwohl wir zwar «alles [haben] was wir so brauchen zum Leben», sind wir dennoch nicht gefeit vor dem Ballast vergangener Zeiten.

«aber vor dem Kopf haben wir immer noch die alten Bretter
wir stehen am Abgrund und rufen die Retter
im Kopf haben wir immer noch die alten Rollen
die uralten Meinungen regeln und wollen
nicht glauben dass es ist wie es ist»

Von Grünigens Texte sind letztendlich in ihrer poetischen Manier doch überraschend direkt. So dass man schnell als «Zeitgeistreisende» ertappt und der Komplizenschaft mit dem angeprangerten neuen Lebensstil überführt wird.

Diese bittere Gesellschaftskritik servieren die Musiker von «Schöftland» auf einem schlichten bis braven musikalischen Serviertablett. Ob der Kontrast zwischen Inhalt und Verpackung gewollt ist oder nicht: Wer sich der Kritik an der heutigen Schnelllebigkeit nicht stellen möchte, kann sich auch einfach auf den zeitlosen wie stimmungsvollen Klängen und Rhythmen treiben lassen. Und sich dabei in einer windigen Bucht der wolkenverhangenen Ostsee wähnen.