Das Goldgeschäft vor unserer Haustür

von Anne-Careen Stoltze 21. Januar 2013

Unter welchen Bedingungen das verarbeitete Gold abgebaut und gehandelt wurde, wissen meist weder Goldschmiede noch Kunden. Ein Fairtrade-Label würde das ändern. Berns Goldschmiede sind jedoch uneins über den Sinn eines Gütesiegels.

Das Gold für unsere Ringe, Ketten und Uhren kommt aus China, Südafrika oder Peru. Während die Bergleute schlecht bezahlt werden und verwüstete Landstriche zurückbleiben, wird das grosse Geschäft hierzulande gemacht – vor unserer Haustüre. Die Raffinerie Metalor in Neuenburg gehört zu den neun grössten Goldraffinerien der Welt. Weitere drei stehen im Tessin. Ein grosser Teil des weltweit abgebauten Rohgoldes gelangt in die Schweiz und wird unter anderem am Neuenburgersee getrennt, veredelt und zu Barren gegossen. Metalor konnte laut Geschäftsbericht für das Jahr 2011 einen Gewinn von 77 Millionen Franken verbuchen.

Illegal abgebautes Gold in Neuenburg?

Die nahe gelegene Uhrenindustrie ist einer der grössten Abnehmer des raffinierten Edelmetalls. «Auch die Schweizer Grossbanken sind stark verankert im globalen Goldhandel. Das Geschäft mit Gold ist in der Schweiz immer noch ein gut gehütetes Geheimnis, kaum jemand kennt die genauen Wege, welche der kostbare Rohstoff zwischen den Raffinerien, der Schmuck- und Uhrenindustrie und den Banken durchläuft», schreibt «Voice», das Magazin der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in seiner Dezember-Ausgabe. Parallel dazu hat die GfbV einen «Goldreport» veröffentlicht.

«Wir sind derzeit erst in der Marktüberprüfung für ein solches Label.»

Florie Marion, Mediensprecherin Max-Havelaar-Stiftung

Daraus geht hervor, dass die Schweiz der wichtigste Exportpartner Perus ist und im Jahr 2011 fast 190 Tonnen Rohgold von dort importiert hat. Rund 55 Tonnen davon stammten aus der umstrittenen Mine Yanacocha. Dort herrschten unhaltbare Zustände, hält «Voice» fest. So seien in der peruanischen Amazonasregion Madre de Dios Hunderte Quadratkilometer Regenwald abgeholzt worden. Zudem bleibe tonnenweise hochgiftiger Abfall zurück, weil das Gold oft mit Zyanid aus dem Gestein gelöst werde. Der Goldreport wirft den Schweizer Goldraffinierien wie Metalor vor, illegal abgebautes Gold aus Problemminen in Peru verarbeitet zu haben. Metalor bestreitet die  Vorwürfe und verweist auf ein ausführliches Massnahmenpaket sowie auf seine Mitgliedschaft im Responsible Jewellery Council RJC, einer NGO, welche sich für verantwortungsvollen Handel in der Schmuckbranche einsetzt.

Ein Label für sauberes Gold fehlt

Diese düstere Seite ist dem Schmuck nicht mehr anzusehen, der im Schaufenster der Berner Juweliere blinkt und glänzt. Wer mit dem Kauf ähnlich wie bei Kakao und Südfrüchten ein Statement setzen möchte, sucht bei Gold bisher vergebens nach einem Zertifikat. Während England, Kanada oder Dänemark das «Fairtraded Fairmined»-Label längst lanciert haben, gibt es in der Schweiz noch kein solches Zertifikat. «Wir sind derzeit erst in der Marktüberprüfung», sagt Florie Marion, Mediensprecherin der Max-Havelaar-Stiftung. Dies sei der erste Schritt in einem sehr komplexen Verfahren, deshalb könne sie keinen Zeithorizont nennen. «Es gibt aber eine Nachfrage bei den Konsumenten», weiss Marion. Im Nachbarland Deutschland ist man etwas weiter: «Wir hoffen, dass wir das Label im kommenden Jahr einführen können», sagt Maren Richter, Pressesprecherin von Transfair.

Kleines Kundensegment …

Dass eine echte Nachfrage nach fair geschürftem und gehandeltem Gold bestehe, bezweifeln mehrere Berner Goldschmiede. Viele wollen sich aber nicht offiziell dazu äussern. Nicht so Christoph Guggisberg. Die von anderen konstatierte Nachfrage gehe von einem so kleinen Kundensegment aus, dass es sich nicht lohne, dafür ein eigenes Label zu etablieren, ist er überzeugt.

«Auch ein Label kann nichts garantieren. Da müsste man schon selber hingehen und nach dem Gold suchen.»

Christoph Guggisberg, Goldschmied, Bern

Den Inhaber einer kleinen Goldschmiede in Bern interessiere es ja selber nicht einmal, woher das Gold stamme, das er verarbeite. Ein Grossteil davon werde in europäischen Scheideanstalten nach sauberen Standards rezykliert, das müsse reichen. Denn «auch ein Label kann nicht garantieren, dass weder Umwelt noch Mensch geschädigt werden. Da müsste man schon selber hingehen und nach dem Gold suchen». Auch Beatrice Brüesch, Geschäftsführerin einer anderen Berner Goldschmiede, rechnet einem Fairtrade-Label für Gold geringe Chancen aus. Die Kundschaft sei kaum bereit, noch mehr zu bezahlen, als der Schmuck ohnehin schon koste. Oft sei letztlich der Stein im Schmuck wichtiger als das Gold, in das er eingefasst ist. «Unser Lieferant der Brillanten garantiert zum Beispiel von sich aus, dass er nicht mit Blutdiamanten handelt, was ja sehr wichtig ist.»

… mit Wachstumspotential

Anders als viele Berufskolleginnen und -kollegen sieht das Jörg Eggimann. Der Berner Goldschmied handelt seit der Eröffnung der eigenen Goldschmiede im Jahr 2008 ausschliesslich mit fair gehandelten Rohstoffen – und ist damit erfolgreich. Der Gegenbeweis zur mangelnden Nachfrage? «Im Moment handelt es sich bei umwelt- und sozialverträglich gehandeltem Gold noch um ein Nischenprodukt», sagt Eggimann, der aber ein grosses Entwicklungspotential sieht und den Vergleich zum Lebensmittelbereich zieht. «Während man vor wenigen Jahren noch kaum Fairtrade-Produkte kaufen konnte, sind die Regale bei den Detaillisten heute voll davon.»

«Sauberes Gold bekomme ich in der Schweiz nicht. Noch nicht.»

Jörg Eggimann, Goldschmied Bern

Fair gehandeltes Gold hat Potential, ist Eggimann sicher. Seine Erfahrung zeigt, dass gerade jüngere Menschen vermehrt Wert auf die ökologischen und sozialen Aspekte von Produkten legten, anstatt einfach blind zu konsumieren. Für genau diese Kundschaft bezieht er sein sauberes Gold von einem ökologischen Bergbau in Argentinien. «Das bekomme ich in der Schweiz nicht. Noch nicht.»

Damit sich das bald ändert, will die GfbV den Druck für ein Schweizer Gold-Label nun erhöhen, und hat die Petition «No dirty Gold! – Schweiz steht in der Verantwortung» lanciert. Darin fordert sie Bundesrat und Parlament auf, dass nur noch Gold eingeführt und verarbeitet werden darf, bei dem die Menschenrechte gewahrt und hohe Umweltstandards eingehalten wurden.