Eine wirkliche Überraschung ist es nicht. Seit Jahren wurde darüber spekuliert, wie lange sich die Tamedia AG, die sich inzwischen TX Group AG nennt, das Nebeneinander von «Bund» und «BZ» noch leisten werde. Es war offenkundig, dass dieses Zürcher Medienunternehmen seine Geschäftspolitik nur noch am Ziel der Gewinnmaximierung ausrichtete. Dass dabei auf die medienpolitische Nostalgie des früheren Berner Eigentümers der beiden Tageszeitungen nicht mehr lange Rücksicht genommen würde, war absehbar. Der CEO der TX Group AG, Pietro Supino, hatte auch nie einen Zweifel daran gelassen, dass er sich weder der öffentlichen Aufgabe der Presse noch der Medienvielfalt verpflichtet fühlte, sondern ausschliesslich den pekuniären Interessen der Aktionärinnen und Aktionäre.
Nun ist es also so weit. Aus zwei Lokalredaktionen wird eine, die Kulturredaktionen werden fusioniert, und es wird auch nur noch eine Regionalredaktion geben. Alles übrige, von internationaler Politik über den Sport zur Wirtschaft, wurde schon früher in Zürich konzentriert oder gleich im Ausland eingekauft. Die beiden Zeitungen waren schon bisher ein «Tages-Anzeiger» mit Berner Lokalteil und mit «kleinem Bund».
Einheitsbrei und Kündigungen
Die Auswirkungen sind trotzdem sehr erheblich. Auch wenn sich das von «Bund» und «BZ» repräsentierte Meinungsspektrum nicht so sehr voneinander abhob, führte die Existenz zweier Lokal- und Kulturredaktionen doch zu unterschiedlichen Gewichtungen und zu journalistischem Wettbewerb sowohl in thematischer als auch in qualitativer Hinsicht. Sie bot auch den angestellten Journalistinnen und Journalisten Möglichkeiten zur beruflichen Profilierung. Mit dem Wegfall des Nebeneinanders erwartet uns ein Einheitsbrei, dessen inhaltliche Ausrichtung in Zukunft von einer in Zürich residierenden Zentralredaktion bestimmt wird.
Die Zusammenlegung der Redaktionen ist Teil eines rigoros betriebenen Abbauprogramms, mit dem konzernweit 70 Millionen Franken eingespart werden sollen. Es ist klar, dass mit der Umsetzung der Massnahme auch eine ganze Reihe erfahrener Journalistinnen und Journalisten ihre Stelle verlieren wird. Wie viele es sein werden, sagt die TX Group AG nicht. Der für die beiden Zeitungen zuständige Geschäftsführer, Marco Boselli, liess lediglich durchblicken, dass er hofft, dass möglichst viele der jetzigen Angestellten von sich aus das Weite suchen. Allerdings: Wo sollen sie denn hingehen, wenn es im Raum Bern gar keine andere Tageszeitung mehr gibt?
Pluralität nur noch Falschmünzerei
Wie der gleiche Marco Boselli auf eine Anfrage des News-Portals nau.ch mitteilte, habe der Verwaltungsrat die Zusammenlegung bereits im August dieses Jahres beschlossen. Das ist insofern bemerkenswert, als der CEO der TX Group AG, Pietro Supino, in einem Editorial des «Bund» vom 1. Oktober schrieb, sein Unternehmen wolle am «Berner Modell» festhalten. «Wir haben die Ambition, das Berner Zeitungsmodell weiterzuführen», heisst es dort schon im Untertitel des Beitrags, der zum 170. Geburtstag des «Bund» erschien. Wenn die Aussage von Marco Boselli stimmt, so war das eine glatte Lüge; der Verwaltungsrat hatte das Ende dieses Modells bereits beschlossen.
Natürlich: «Bund» und «BZ» werden weiterhin als eigene Ausgaben existieren. Sie haben zwar den exakt gleichen Inhalt, aber immer noch zwei unterschiedliche Aufmachungen. Für die Geldmaschine TX Group AG macht das vielleicht Sinn. Es ermöglicht, weiterhin ein «Inserate-Kombi» für die beiden Zeitungen zu verkaufen und dafür die gleichen hohen Preise zu verlangen wie bisher. Auch kann es sein, dass einzelne Personen und Firmen, insbesondere Cafés und Restaurants, die beide Titel abonniert haben, dies aus purer Gewohnheit auch weiterhin noch tun. Medienpolitisch ist diese doppelte Aufmachung nichts anderes als Falschmünzerei: Man behauptet eine mediale Pluralität, die aber gar nicht mehr existiert.
Das «Berner Modell» ist am Ende, weil der Zeitungsverlag, der es betrieb, sich nicht mehr an der öffentlichen Aufgabe der Presse orientieren will. Er ist nicht mehr daran interessiert, zur Bildung einer öffentlichen Meinung beizutragen. Die Politik kann ihn nicht zwingen, das weiterhin zu tun. Sie sollte es aber unterlassen, diese Änderung der Geschäftspolitik noch mit der Gewährung von Subventionen zu belohnen. Nicht nur das «Berner Modell», sondern auch das Modell der «indirekten Presseförderung» ist am Ende. Wir brauchen dringend eine neue Medienpolitik, die dieser grundlegend veränderten Situation Rechnung trägt.