«Das Einzige, was ich vermisse, ist die HKB»

von Maja Hornik 5. Februar 2013

Die Künstlerin Vanessa Gageos hegt gemischte Gefühle zu Bern. Die Idee für ihre Performance «-logy» hatte sie als Berner Studentin. Das Stück führte sie an eines der renommiertesten Kunst- und Performancefestivals Europas.

Mit «-logy» präsentierte die rumänische Performance-Künstlerin Vanessa Gageos eine der herausragendsten Performances an der Transmedialen, dem renommierten Berliner Festival für Medienkunst und digitale Kultur. Das Werk entstand während ihres Studiums an der Hochschule der Künste Bern (HKB). Es sind gemischte Gefühle zu Bern, die das anschliessende Gespräch im Haus der Kulturen der Welt prägten.

An einem Mittwochabend um 19 Uhr steht eine junge Frau inmitten des Café Stage im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Schwarze Kabel umschlingen ihren Körper. Ein eigenartiger Metallhelm säumt ihren Kopf, wie Scheuklappen versperrt er ihr die Sicht nach rechts und links. Es sind nicht wenige, die sich im Halbkreis um das Scheinwerferlicht mit der Künstlerin in der Mitte versammelt haben. Sie werden zunächst alle nur fixiert, aus dem Licht heraus ins Auge gefasst. Später sollen vier der Besucher zu Elementen des «Systems» verbunden werden. Denn es ist ein verbindender Akt, einer, der nicht nur Mensch und Technik koppelt, sondern auch Genre-Grenzen auslotet. «-logy» ist Soundinstallation und Performance zugleich.

«Das Gehirn bin ich»

Zunächst ist da nur diese junge Frau und dieses Rauschen im Hintergrund. Es ist ein technischer Klang, keine Musik. Sie dreht ihren Kopf, nach links, nacht rechts, wieder nach links. Der Ton bleibt gleich. Nach einer Weile fasst sie eines der Kabel, löst es von ihrem Körper.

«Ich möchte Menschen zu einer Art Chip verbinden.»

Vanessa Gageos, Performance-Künstlerin

Der Ton verändert sich, steuert höhere Frequenzen an, wird von Störgeräuschen unterbrochen. Sie geht ins Publikum, nimmt die Hand einer Zuschauerin, befestigt das AUX Audiokabel mit Klebband an deren Hand, geht zurück ins Scheinwerferlicht. Der Ton wird lauter, bauscht sich auf. Stück für Stück löst sie nun jedes der vier Kabel, die ihren Körper umfassen, verbindet vier Zuschauer zu einem System, mit ihr als Zentrum, als «Kopf» dieses «Chips», wie es die Künstlerin umschreibt.

«Die Verbindung von Mensch und Computer ist die Idee hinter meiner Performance», erklärt sie im anschliessenden Gespräch, «ich möchte Menschen zu einer Art Chip verbinden, der von einem Zentrum, einem Gehirn, gesteuert wird. Und dieses Gehirn bin ich. Wie lange sie aber Teil dieses Systems bleiben, ist ihre eigene Entscheidung». Jedem dieser an das «System» Angeschlossenen flüstert die Künstlerin zum Schluss etwas zu, entledigt sich ihrer Rüstung und geht.

Teil des Systems sein oder sich verweigern?

Im Raum bleibt lediglich die Rüstung und die Anwesenheit einer Entscheidung zurück, denn die vier ausgewählten Zuschauer sind weiterhin verkabelt. Es geht eben genau um diese Entscheidung. Will man Teil eines Systems sein, will man am technischen Wandel teilnehmen oder will man sich ihm verweigern, fragt die Performance. Es die Selbstbestimmung im Kontext des Fortschritts – technisch wie gesellschaftlich –, die die Künstlerin wortlos zur Diskussion stellt, gleichzeitig zu ihr aufruft, diese aber nicht um jeden Preis einfordert, dennoch erzwingt, in dem sie vier Fremde zum System macht. Und es dauert tatsächlich eine Weile bis sich die vier Verkabelten von ihren Fesseln lösen, das Klebeband mit dem Kabel entfernen. Sie treffen ihre Entscheidung, erst dann versiegt auch die Geräuschkulisse im Hintergrund.

«Ich war mehr als nur froh, als ich gehen konnte»

«-logy» ist ein Produkt ihrer Studienzeit an der Hochschule der Künste Bern (HKB). Die Idee zur Performance erreichte sie als Studentin der Musik- und Medienkunst, einem Studiengang, den es so sonst nirgends gibt.

«Das Einzige, was ich vermisse, ist die HKB und ihre Werkstatt.»

Vanessa Gageos, Performance-Künstlerin

So ist es auch der einzige Grund, der die in Bukarest geborene Musikerin nach Bern brachte und dort auch drei Jahre lang hielt. «Das Einzige, was ich vermisse, ist die HKB und ihre Werkstatt. Ich habe hier unglaublich viel gelernt. Aber ich war mehr als nur froh, als ich nach meinem Abschluss gehen konnte», sagt Vanessa. Es ist ihr unangenehm, das ambivalente Gefühl, das sie beschleicht, wenn man sie auf ihre Zeit in Bern anspricht. Es sei zu klein, zu wenig, was in Bern geschehe, lautet ihr Vorwurf. Mittlerweile lebt sie in Berlin, gönnt sich eine Pause, in der sie entscheiden will, wohin es sie als Nächstes verschlagen darf. Der Master an der HKB wäre eine Option, aber eine eher unwahrscheinliche. Damit bleibt «-logy» für Vanessa wohl das vorerst letzte greifbare Stück Berner Zeit. Immerhin eines, welches sie und ihre Kunst an eines der renommiertesten Kunst- und Performancefestivals Europas führte.