Das Blaue Haus im Saali

von Andreas Rapp 2. April 2019

Gegen Freimaurer gibt es unzählige Vorurteile. Das neue Museum in Wittigkofen trägt dazu bei, sie abzubauen.

Als Kinder hat man uns vor Freimaurern gewarnt; sie seien Ungläubige, eine geheime Sekte. Eben deswegen wurden sie oftmals ausgegrenzt: Die Nazis verfolgten sie wie Juden, Zigeuner und Kommunisten. Und in der Schweiz reichten rechtsextreme Kreise eine Volksinitiative zum Verbot der Freimaurerei ein. Diese wurde 1937 aber deutlich verworfen. Die Mehrheit sah die Initiative als vom Ausland gesteuert und als Angriff gegen die Grundrechte.

Werkzeuge

Das Museum zeigt beim Eingang ein Modell des Tempels von Salomo. Dann besichtigen wir den Werkplatz der Steinmetze beim Bau einer Kathedrale; in deren «Bauhütten» haben die Freimaurer ihre Wurzeln. Die Werkzeuge – das Winkelmass und der Spitzhammer, mit welchem der Lehrling den rohen Stein bearbeitete, die Kelle des Gesellen für den Mörtel und der Zirkel des Meisters haben für Freimaurer hohe Symbolkraft: Mit ihnen behandelt der Lehrling die eigenen Ecken und Kanten; die Kelle steht für die Bruderliebe, der Zirkel für den Geist.

Wir blicken in ein Pub in London, wo sich 1717 vier Logen vereinigten. Von dort aus verbreitete sich die Freimaurerei rasch. In der Schweiz bestanden 1844 bereits 30 Logen. Diese schlossen sich im gleichen Jahr zur Grossloge Alpina zusammen. Es war eine Zeit, in welcher schwere konfessionelle und politische Spannungen die Eidgenossenschaft fast zu zerreissen drohten. Mitgründer der Grossloge war Jonas Furrer, der 1848 erster Bundespräsident wurde.

Rituale

Festliches Essen, Lieder, Musik und geistreiche Reden unterstreichen die Lebensfreude der Freimaurer. Ein Esszimmer mit feierlich gedeckter Tafel stellt dies dar. Auch die rituelle Bekleidung ist ausgestellt – Schürze, Logenzeichen und Handschuhe. Grundfarbe ist weiss, als Symbol für reine Gesinnung. Wie die Rituale genau ablaufen, wird im Museum nicht gezeigt; das bleibt Geheimnis und fällt unter das Gebot der Verschwiegenheit. Eine Ahnung davon vermittelt aber Mozarts Oper «Zauberflöte», in der just die Verschwiegenheit auf die Probe gestellt wird – beim Vogelhändler Papageno.

In der «Kammer des Stillen Nachdenkens» begegnen wir Totenkopf und Stundenglas, und im Kabinett nebenan stehen wir vor einem unbehauenen Stein, unter dem Schriftzug «erkenne dich selbst». Diesen uralten Grundsatz zu verwirklichen, ist auch das Bestreben der Freimaurer, weltweit.

Die Grossloge Alpina umfasst etwa 3700 Mitglieder, dazu kommen mehr als 1000 Angehörige ähnlicher Institutionen. Seit 1964 gibt es auch eine Frauenloge. Der Mitgliederbestand nehme zu, heisst es bei Alpina. In einer Zeit wankender Gewissheiten kann das Bedürfnis nach Spiritualität, klaren Werten und ihrer Bestärkung durch Rituale kaum erstaunen.

Andreas Rapp
Aus: QuaVier 94/19 www.quavier.ch