Das Bänkli von Amtes wegen

von Anna Stüssi 5. Oktober 2021

Nach meiner  Begegnung mit einem Bänkli an einem gspässigen Ort fragte ich mich: Gibt es eigentlich Kriterien für die Aufstellung öffentlicher Sitzgelegenheiten? Ich rief das zuständige Amt, Stadtgrün Bern, an. Ich bekam freundliche und informative Auskünfte von Frau Grünler, die ich gerne weitergebe. Ich weiss nun, dass ein Bänkli nicht zwingend mit schöner Aussicht zu tun haben muss und dass es als Einzelstück  gar nicht richtig begriffen werden kann.

Nicht ohne Wehmut lasse ich meine romantische Vorstellung fahren, dass Bänkli einzig  dazu da sind, uns beim Spazieren und Flanieren auf schöne Stellen aufmerksam zu machen und zu einer besinnlichen Pause einzuladen. Im Gespräch mit Stadtgrün lerne ich, dass das Bänkli nicht nur ein Genuss-, sondern quasi auch ein systemrelevantes Nutzobjekt ist. Die Stadt betrachtet das Thema «Bank» nämlich im Rahmen ihres grösseren Projekts «Umsetzung hindernisfreier Raum», das zum Ziel hat, den öffentlichen Raum «den Bedürfnissen aller Nutzergruppen anzupassen». Also auch den besonderen Bedürfnissen der Senior:innen, Geh- und Seheingeschränkten. Für sie, die langsam und vielleicht mühsam unterwegs sind, sollen genügend Gelegenheiten für eine Verschnaufpause zur Verfügung stehen. Es geht um den städtischen Leitwert «Inklusion».

Im Schatten von Bäumen und Mauern

Die amtliche Sicht auf den Gebrauchsgegenstand Bank beginnt mich zu faszinieren, ja berührt mich. Wie sorgfältig die Behörden an die Bürger:innen denken! Stadtgrün Bern erfreut uns nicht nur mit farbenprächtigen Pflanzschalen und Wildblumenrändern, schöner als man sie auf dem Land findet, sondern möbliert den öffentlichen Raum im Hinblick auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen. (Das beliebte rote mobile Mobiliar in der Innenstadt und die massiven und massiv umstrittenen Sitzgelegenheiten am Bahnhof gehören übrigens in die Kompetenz des Tiefbauamtes).

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Natürlich gibt es in der Länggasse zwischen Parkterrasse und Studerstein mehrere Anlagen und Spielplätze, wo Bänkli, meist grad mehrere, in grünem Umschwung zum Verweilen einladen und von Jung und Alt benutzt werden. Doch seit einiger Zeit nehmen die Stadtbehörden vermehrt auch das dicht bebaute Innere der Quartiere in den Blick. Gibt es da genügend Sitzgelegenheiten zwischen den Häusern für geh-eingeschränkte Menschen? Ausruhmöglichkeiten in angemessener Distanz, in sogenannter «Gehdistanz»? Die Quartiere wurden daraufhin inspiziert und es zeigte sich: auch in der Länggasse waren die Durststrecken ohne Bank zu lang und es galt Lücken zu schliessen.

Gehdistanz und Stehstress

Nun verstehe ich, warum in der Länggasse  so viele neue Bänkli an unspektakulären Ecken aufgetaucht sind. Neue Mini-Plätze entstanden im Schatten zwischen den Häuserblöcken. Im Jahr 2020 seien stadtweit circa 150 neue Bänke gesetzt worden, vernehme ich. Die Standorte wurden von Stadtgrün Bern in Zusammenarbeit mit dem Tiefbauamt, verwaltungsinternen Fachgruppen und einem Landschaftsarchitekten-Büro (Weber und Brönnimann) evaluiert. Diese Bänkli-Offensive begann 2016 und wurde letztes Jahr abgeschlossen.

Die wunderbare Bänkli-Vermehrung kam zufällig und glücklicherweise gerade zeitgleich mit der Pandemie in Gang. Vor allem während der langen Monate, als die Innenräume der Restaurants tabu waren und Take-away zur üblichen Verpflegungsart aufstieg, war man froh um die vielen Sitzbänke im Aussenraum. Beim Tearoom «Apfelgold» zum Beispiel gab es zum Stück Kuchen einen Quartierplan mit rot aufgedruckten Bänkli, die in der Nähe zu finden sind  – eine reizende Idee.

Neulich unterzog ich die Informationen über Bänklidichte und Gehdistanz einem praktischen Test. Im Umkreis der Neubrückstrasse unterwegs, stellte ich fest: von einer Sitzgelegenheit zur nächsten brauchte ich selten mehr als 150 bis 200 Schritte! In den Gehrhythmus passen auch die Haltestellen des ÖV, die mit deutlich mehr Bänken aufgerüstet worden sind.  Hier ging es der Stadt um die Vermeidung von «Stehstress», wie es auf Amtsdeutsch heisst. Das ist lobenswert – wobei lockeres Stehen auf beiden Füssen auch als gute Massnahme gegen Stehstress empfohlen wird.

Die Neue Berner Bank

Manchen mag auch aufgefallen sein, dass die Bänkli ihr Aussehen leicht verändert haben, irgendwie eckiger und stabiler wirken. Das ist jetzt eben die Neue Berner Bank! Sie wurde in Zusammenarbeit mit  dem «Kompetenzzentrum Alter» und einer Seniorengruppe entwickelt. Nach und nach sollen die bisherigen, nicht hindernisfreien Bänke durch das neue Modell ersetzt werden. Dieses ist höher, hat Armlehnen und eine steilere Rückenlehne; man kommt leichter wieder hoch. Für die Blinden gibt es zudem an manchen Bänken eine zusätzliche Querleiste, die sich mit dem Stock gut ertasten lässt.

Neu im Angebot ist auch die Sitzbank ohne Rückenlehne. Sie erlaubt variableres Sitzen mit Blick in verschiedene Richtungen, einladender auch für Junge, die sich rittlings darauf setzen können.

Zuletzt nimmt mich noch wunder, was es mit dem Gerücht auf sich hat, wonach die Stadt plane, aus Spargründen Sitzbänke zu entfernen. Frau Grünler gibt Entwarnung. Jetzt, wo nach sorgfältiger Evaluierung die Bänke endlich installiert seien, würden diese sicher nicht wieder entfernt. Allenfalls müssten einige Bänkli am Stadtrand weichen, die  selten benutzt werden. Wie man denn merke, ob eine Bank benutzt oder nicht benutzt werde? Es seien ständig und zu verschiedenen Zeiten Mitarbeitende im Einsatz. In der Länggasse sei es der «Unterhaltskreis West», der die Anlagen pflege, Müll entferne, Sprayereien lösche und Reparaturen ausführe. So erfahre man, ob und auf welche Art Bänke benutzt würden.

Nach all diesen Auskünften geniesse ich es, mit informiertem Blick durchs Quartier zu gehen. Die nützliche Zier der Bänke in ihrer Vielfalt erschliesst sich mir erst jetzt. Vielleicht achten auch Sie auf Ihrem nächsten Gang auf Vorkommen, Art und Ausbreitung der Spezies Bänkli. Auch die nostalgische Parkbank mit dem Flair des 19. Jahrhunderts gibt’s noch, die schön geschwungene, feingliedrige, mit den Gusseisenfüssen.

 

(aus dem Länggassblatt Nr. 270, Juli 2021)