Zum Beispiel die Geiss, die mit ihrem Gerippe tanzt; der Schneemann mit der Erdbeernase; das boxende Känguru – Claude Kuhns Plakate für Ausstellungen und für den Boxing Day sind Allgemeingut. Jetzt sind sie im Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern zu besichtigen: Der «Cortège des affiches», so heissen die Ausstellung und das dazu erschienene Buch, versammelt 40 Jahre grafische Arbeit auf höchster Stufe.
«Spielwitz und Klarheit» hiess eine Ausstellung zur Schweizer Architektur und Ingenieurskunst im Kornhausforum Bern. Beide Stichworte passen auch auf Claude Kuhn. Nur wer seine Geschöpfe und seine Themen gern hat, kann schaffen, was Kuhn gelang. Für «einen Kuhn» braucht es die Nähe zur Sache und eine gewisse Distanz zu ihr. Der Gestalter ergänzt sozusagen den Blick durch das Mikroskop durch das Spiel mit dem «Riesenmuskel der Vorstellungskraft» (Per Olov Enquist).
Schönheit, die nichts beschönigt
So entstehen Bilder von einer Schönheit, die nichts beschönigt, sondern das Wahre enthüllt. Der Philosoph Schopenhauer hat geschrieben: «Jedes Kunstwerk ist eigentlich bemüht, uns das Leben und die Dinge so zu zeigen, wie sie in Wahrheit sind, aber durch den Nebel objektiver und subjektiver Zufälligkeiten hindurch nicht von jedem unmittelbar erfasst werden können. Diesen Nebel nimmt die Kunst hinweg.»
Im Naturhistorischen Museum ist eine Galerie von Tieren, Pflanzen, Versteinerungen entstanden – Figuren, die auf ihre Weise ebenso zum Volksgut gehören wie Mani Matters Verse: Eingängig und tiefsinnig, wiedererkennbar, doch nicht auszuschöpfen. Und: Kindern so lieb und verständlich wie Erwachsenen.
Ernst und Spiel, Leben und Tod
Kuhns Meisterwerk, die Ausstellung «C’est la vie», verbindet Pädagogik und freischweifende Neugier, Kabinettsstücke und didaktische Lernposten, Forschung und Formgebung, Ernst und Spiel, Leben und Tod.
Claude Kuhns Monument aus Papier – das behaupte ich frei – wäre nicht möglich geworden unter anderen Umständen als im Naturhistorischen Museum Bern. Dass dieses dem Eigenwilligen die Freiheit liess, dass es ihn an sich zu binden verstand, dass es aus überzeugenden Anfängen eine Tradition machte, dass es sich am Bild freut, das Kuhn uns von ihm machte – das ist die grosse, seltene (Gegen-)Leistung des Museums für «seinen» Gestalter, für sein Publikum, für seine Region. Das Museum beweist damit, dass eine gestalterische Handschrift über Jahrzehnte bestehen und sich steigern kann – allen kurzlebigen Moden zum Trotz. Dies verdient besonderen Dank.
Cortège des affiches, Naturhistorisches Museum Bern, bis am 5. Januar 2014, www.nmbe.ch