Chancen und Grenzen einer Berner City Card

von RaBe Info 17. August 2022

Diese Woche wurde die lange erwartete Vorstudie «City Card Bern» veröffentlicht. Obwohl sich ihr Nutzen für Sans-Papiers in Grenzen halte, berge die City Card für die Gesamtgesellschaft grosses Potential, meint Co-Autorin der Studie Alexandra Büchler.

Das Projekt «City Card» sorgt in der Stadt Bern seit langem für ausgiebige Debatten der involvierten Behörden, Organisationen und der sozialen Bewegungen. Viele Hoffnungen und viele Fragezeichen sind mit dem Stadtausweis verbunden.

Gestern nun hat die Berner Fachstelle für Migrations- und Rassismusfragen die von ihr Auftrag gegebene Vorstudie «City Card Bern» veröffentlicht, welches soziologische Fragen beleuchtet und die rechtliche Situation in der Stadt Bern analysiert.

Grundsätzlich soll die City Card allen Stadtbewohnenden die Möglichkeit bieten, sich gegenüber Behörden, oder gegebenenfalls auch gegenüber privaten Institutionen auszuweisen, ohne Angaben zum Aufenthaltsstatus oder sensiblen Persönlichkeitsmerkmalen machen zu müssen. Damit soll sie insbesondere für Sans-Papiers einen verbesserten Zugang zu Grund- und Menschenrechten sicherstellen.

Als eines der grössten Hindernisse erachtet Büchler die Tatsache, dass es in der Stadt Bern keine Stadtpolizei gibt.

Gemäss Alexandra Büchler halten sich die positiven Auswirkungen einer City Card spezifisch für Sans-Papiers in der Stadt Bern in Grenzen. Öffne man den Blick jedoch auf die Gesamtbevölkerung, berge die City Card gleichwohl ein grosses Potential. Büchler ist Juristin, Co-Präsidentin des Vereins der Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers und Co-Autorin des juristischen Teils der Vorstudie.

Die Hauptschwierigkeiten von Sans-Papiers, darunter der fehlende Zugang zur Justiz und die ständige Angst vor Polizeikontrollen, könne auch eine City Card nicht abbauen, weil diese Bereiche nicht in der Kompetenz der städtischen, sondern der kantonalen Behörden liegen. Als eines der grössten Hindernisse erachtet Büchler die Tatsache, dass es in der Stadt Bern – im Unterschied zur Stadt Zürich, welche ebenfalls auf die Einführung einer City Card hinarbeitet – keine Stadtpolizei, sondern lediglich eine Kantonspolizei gibt und die Stadt diese nicht dazu verpflichten kann, die City Card als Ausweisdokument anzuerkennen.

Die City Card ermöglicht es, alltäglichen Stigmatisierungen entgegenzuwirken.

Derweil würde eine Berner City Card den Zugang von Sans-Papiers zu gewissen städtischen Dienstleistungen und Einrichtungen ermöglichen, wie Vergünstigungen oder Wohnsitzrabatten, Kursen oder Ausstellungen, und somit zumindest ihre sozialen und kulturellen Rechten stärken. Zudem hätte die City Card als starkes Zeichen einer inklusiven und weltoffenen Stadt eine wichtige symbolische Funktion, betont Alexandra Büchler.

Die Diskussionen rund um die City Card kreisen meist um die Situation der Sans-Papiers. Wie das juristische Gutachten aufzeigt, birgt die City Card aber auch und vor allem für weitere Personengruppen ein grosses Potential. Weil sie einen Identitätsnachweis ermöglicht, ohne dass der ausländerrechtliche Status, die Herkunft, die Geschlechtsidentität oder andere sensible Merkmale offengelegt werden müssen, könnten auch ausländische Personen mit einer Bewilligung profitieren, sowie trans-, inter-, oder non-binäre Personen. Die City Card ermögliche es, auf breiter Ebene alltäglichen Stigmatisierungen entgegenzuwirken, betont Alexandra Büchler. Sie selber würde die Einführung einer City Card aufgrund des grossen Potentials begrüssen. Dabei müsse jedoch sichergestellt werden, dass sie tatsächlich Verbesserungen mit sich bringt, nicht nur für Sans-Papiers, sondern für die gesamte Bevölkerung.