Ende Juni hat der Gemeinderat über die Vergabe des Baurechts zur Überbauung des Tramdepots im Burgernziel entschieden. Den Zuschlag erhielt ein Konsortium aus einer im Quartier verankerten Wohnbaugenossenschaft und der Gebäudeversicherung Bern. Die Rahmenbedingungen für die Überbauung des ehemaligen Areals des Tramdepots Burgernziel wurden von der Stadt Bern vorab festgelegt: Es ist ein vorgegebenes Bauprojekt auszuführen, das 102 Wohnungen verschiedener Grösse umfasst, ferner Gewerbenutzungen im Umfang eines Viertels der Nutzfläche, eine Kindertagesstätte und zwei Schulräume für Unterstufenklassen. Ein Drittel der Wohnungen muss auf gemeinnütziger Basis erstellt werden. Die ganze Überbauung muss so realisiert werden, dass eine Zertifizierung als 2000-Watt-Areal erreicht werden kann.
Leben im Burgernziel
„Läbe im Burgereziel“ nennen die Wohnbaugenossenschaft Acht und die Gebäudeversicherung des Kantons Bern das Projekt, mit welchem sie diese Vorgaben umsetzen wollen. Dabei haben sie zum ohnehin schon anspruchsvollen Vorhaben gleich noch eine übergeordnete Zielsetzung dazugepackt: „Wir nutzen das Wohn- und Geschäftshaus Burgernziel als Chance, einen Mittelpunkt für das Quartier zu schaffen“, heisst es in der Eingabe, mit welcher sich das Konsortium erfolgreich um den Zuschlag des Baurechts beworben hatte. Wie die Initiantinnen sich dies vorstellen, wird in der Eingabe detailliert ausgeführt.
Quartiermittelpunkt im Osten fehlt
Dass im Ostteil der Stadt ein gewerblicher und sozialer Quartiermittelpunkt fehlt, ist unübersehbar. Wohl gibt es diverse Geschäfts und Gaststätten, doch sind sie auf ganz verschiedene Orte verteilt. Auf Quartierinitiativen hin sind auch einige Treffpunkte entstanden, so der Murifeld-Träff, das Restaurant Punto oder das Parkcafé im Elfenaupark. Aber die grossen Plätze im Quartier – der Thunplatz, das Burgernziel, der Freudenbergerplatz, das Egghölzli – sind nach wie vor städtebauliche „Unorte“, an denen sich niemand freiwillig aufhält.
Dorfplatz geplant
Gegen diese Öde will das Konsortium ankämpfen, indem es die gewerbliche Nutzung der Überbauung gezielt auf Bedürfnisse der Quartierbevölkerung ausrichtet und die Aussenräume allgemein zugänglich hält. In den Geschäften sollen Gegenstände des täglichen Bedarfs verkauft und niederschwellige Dienstleistungen angeboten werden. Der Pausenplatz von Kindertagesstätte und Schule soll ausserhalb der Schulzeiten frei zugänglich sein. Auch die übrige Freifläche ist als eine Art Dorfplatz konzipiert. Schliesslich erhält die Quartierkommission im Gebäude einen eigenen Büroraum.
Ob das alles schon genügt, um die angestrebte Funktion eines Quartierzentrums zu erzielen, wird sich zeigen. Dabei wird es wichtig sein, dass dieser Zentrumsgedanke auch von den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern der Überbauung mitgetragen und unterstützt wird. Eine Zentrumswirkung wird nur eintreten, wenn dieses Zentrum einerseits für Aussenstehnde attraktiv und andererseits für soziale Kontakte nach aussen offen ist. Wer einen ruhigen Alterssitz ohne Kinderlärm und Alltagsgeräusche sucht, sollte sich daher besser nach einer andern Wohnmöglichkeit umsehen.
Hürden überwinden
Zuallererst wird es aber um die Frage gehen, ob die geplante Überbauung überhaupt realisiert werden kann. Ihr stehen zur Zeit nämlich noch Baubeschränkungen entgegen, welche von den Eigentümerinnen und Eigentümern der Nachbargrundstücke geltend gemacht werden könnten. Sie stammen aus einer Zeit, als es in Bern noch keine Vorschriften über Bauzonen gab, und haben ihre Berechtigung längst verloren. Aus einem unerfindlichen Grund sind sie aber von den Stadtbehörden nie beseitigt worden, auch nicht im Hinblick auf das von ihr selbst vorgegebene Bauprojekt. Deshalb sind sie auch heute zumindest theoretisch noch gültig, und sie könnten die Ausführung des Projekts durchaus noch verzögern. Wie lange es noch dauert, bis das Burgernziel das angestrebte Quarterzentrum wird, hängt daher auch vom Goodwill dieser Nachbarinnen und Nachbarn ab.