Eine Sondernummer der «Berner Zeitschrift für Geschichte» (BEZG) beschreibt die Entwicklung des Berner Stadtteils VI Bümpliz-Bethlehem in den letzten hundert Jahren. Während die Landwirtschaftsgebiete um Bottigen und Riedbach weitgehend erhalten geblieben sind, wuchsen Bümpliz und Bethlehem zur kompakt überbauten grössten Satellitenstadt der Deutschschweiz heran. Trotzdem hat sich der Stadtteil seine Eigenart und seine Verbundenheit mit der ehemaligen Gemeinde Bümpliz bewahrt.
Bauerndorf und Industrialisierung
Jahrhundertelang waren Bümpliz und Bethlehem Bauerndorf und Weiler entlang dem Stadtbach vor den Toren der Stadt Bern. Mehrere Landsitze und herrschaftliche Gutshöfe bernburgerlicher Familien sowie verstreut liegende Weiler prägten die fruchtbare Landschaft zwischen Bremgartenwald, Könizbergwald und Forst. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts geriet die 1832 entstandene Einwohnergemeinde Bümpliz in den Sog der Industrialisierung. Der Eisenbahnbau und die Entstehung von technisierten Betrieben vor allem in der Stadt Bern, die zwischen 1890 und 1914 eine wirtschaftliche Hochkonjunktur erlebte, führten zu massenhafter Zuwanderung und damit zu starkem Bevölkerungswachstum. Die in der Stadt arbeitenden Neuzuzüger suchten in der Vorortsgemeinde günstigen Wohnraum. Die Bevölkerungszahl verdoppelte sich von 1888 bis 1910 und stieg weiterhin an. Bald konnte Bümpliz die grossen Infrastrukturaufgaben des Verstädterungsprozesses (Gas- und Wasserversorgung, Abwasserkanalisation, elektrische Beleuchtung, Strassen- und Schulhausbau) nicht mehr selbständig bewältigen, da gemäss damaligem Steuergesetz die auswärts Arbeitenden nicht am Wohnort, sondern am Arbeitsort ihr Einkommen versteuerten. Auf Geheiss des Kantons und nach Annahme in den Gemeindeabstimmungen erfolgte auf den 1. Januar 1919 die Eingemeindung in die Stadt Bern.
Der Zusammenschluss
Der Zusammenschluss war für beide Seiten ebenso bereichernd wie belastend. Die Stadt übernahm eine finanzschwache Gemeinde, ohne – wie sie es dem Kanton gegenüber zur Bedingung gemacht hatte – durch besser gestellte Vororte wie Muri, Köniz und Ittigen einen Ausgleich schaffen und ihr Territorium zweckmässig «arrondieren» zu können; immerhin gewann sie eine beträchtliche Landreserve für ihr zukünftiges Wachstum sowie Natur- und Erholungsgebiet. Bümpliz war zwar die unmittelbaren finanziellen Probleme los, verlor aber seine Autonomie.
In der Folge beplanten und überbauten Stadt und Genossenschaften grossflächige ehemalige Bauerngüter. Etappenweise entstanden neben den bescheidenen Arbeiter- und Handwerkerquartieren auch bürgerliche Villenviertel für Angestellte und Gewerbetreibende. Eine einmalige Vielfalt an Siedlungstypen lässt die architektonischen Experimentierfelder des 20. Jahrhunderts auf begrenztem Raum ablesen. Die Menschen, die in die Häuser einzogen, bildeten eine zunächst sozial, später auch ethnisch immer stärker differenzierte und durchmischte Einwohnerschaft. Der Verstädterungsprozess beschränkte die Bauern auf die geschützte Landwirtschaftszone in Bottigen-Riedbach.
Zum Gegensatz zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen kam eine politische Gegnerschaft zwischen Konservativen und Linken hinzu. Auch das Vereinswesen spaltete sich in je eine sozialistische und eine bürgerliche Variante auf.