Die Vorlage für die Volksabstimmung vom 7. März heisst «Bau- und Verkehrsmassnahmen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Bahnhofs Bern: Ausführungskredit». Es geht um insgesamt 112 Millionen Franken, davon 36 Millionen für eine neue Fussgängerunterführung unter dem Bubenbergplatz. An die Summe werden der Bund und der Kanton Bern 58 Millionen beisteuern, der Stadt verbleiben netto Ausgaben von 54 Millionen. Dazu kommen nicht eingerechnete Folgekosten von Bernmobil und EWB. Das Projekt tönt technisch, logisch, zwingend – doch es hat es in sich. Worum geht es?
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Seit November 2017 wird der Bahnhof Bern, der zweitgrösste der Schweiz, ausgebaut. Die Bauarbeiten dauern bis 2027. Sie kosten ungefähr 1 Milliarde. Was geplant und im Bau ist, wird stets aktuell dokumentiert und mit Videos anschaulich gemacht unter www.zukunftbahnhofbern.ch. Die Website bietet gute Informationen.
Personenunterführung Mitte
Zum Ausbau gehören zwei Projekte:
1) Der Bahnhof für die RBS mit 4 Gleisen wird um ein Geschoss tiefer gelegt und nach Westen verschoben. Er liegt dann unter den SBB-Gleisen 2-7.
2) Dies bedingt neu eine unterirdische Passage für die Fahrgäste mit Zugängen von der Länggasse und vom Bubenbergplatz her.
Wir stimmen am 7. März nicht über diese Personenunterführung ab. Sie ist Sache der SBB. Doch sie löst eine grosse Funktionsänderung im Zentrum der Stadt aus.
Abgestimmt wird über eine zusätzliche Fussgängerunterführung, welche die Stadt im Anschluss an die SBB-Unterführung unter dem Bubenbergplatz hindurch in den Hirschengraben ziehen will. Zudem geht es um Verkehrsmassnahmen im Bollwerk und beim Henkerbrünnli. Wir konzentrieren uns hier auf das Gebiet Bubenbergplatz – Hirschengraben.
Wenn der RBS-Bahnhof an den neuen Ort verlegt wird, benutzen die Fahrgäste aus der Altstadt weiterhin den heutigen Zugang von der Neuengasse her und gehen durch den unterirdischen Bahnhof. Wer ins Monbijou oder zur City West will, wird künftig nahe beim Bubenbergplatz an die Oberfläche kommen bzw. vom Bubenbergplatz aus den RBS-Bahnhof erreichen. Man redet von vielen tausend zusätzlichen Fahrgästen pro Tag in den Spitzenzeiten, weil die Nutzung des öffentlichen Verkehrs (öV) zunehmen dürfte, auch wenn die Pendlerströme möglicherweise wegen mehr Home-Office gedämpft werden könnten. Dies verlangt einen neuen, grossen Bahnhofszugang im Bereich des Bubenbergplatzes. Dessen Dimension wird durch die kurzen Spitzenzeiten am Morgen und nach Feierabend bestimmt; in der übrigen Zeit des Tages ist die Benutzung sehr viel geringer.
Wie kommen die Fussgänger zum RBS-Bahnhof?
Um Platz zu schaffen für den neuen Zugang Bubenberg sind drei Massnahmen geplant. Sie betreffen den Hirschengraben, den Bubenbergplatz und den Gebäuderiegel zwischen Schanzenbrücke und Burgerspital. Dieser stammt aus den 1970er Jahren und hat drei Hausnummern: Bubenbergplatz 8, 10 und 12. Hier geht es in erster Linie um die Nummern Bubenbergplatz 10 und 12; wir nennen sie im Folgenden Eckhaus.
Was also ist offiziell geplant?
- Die SBB reissen das Eckhaus ab und bauen es im gleichen Volumen wieder auf. Das Erdgeschoss im Neubau soll durchlässig werden für die Passantinnen und Passanten, ab dem zweiten Geschoss ist kommerzielle Nutzung vorgesehen. Ein Wiederaufbau einzig zum Zweck, den Aufgang und Abgang zum Bahnhof an dieser Stelle bauen zu können und den Fussgängerverkehr durch das Haus zu leiten. Ein Wiederaufbau, der nach der Überbauungsordnung aus den 1960er Jahren gestaltet wurde, weil das anschliessende Gebäude Bubenbergplatz 8 in privatem Eigentum ist und den SBB nicht verkauft wird.
- Die Stadt Bern verlängert die Unterführung vom RBS-Bahnhof unter dem Bubenbergplatz hindurch bis zum Hirschengraben. Sie kommt dort an die Oberfläche, wo heute das Denkmal für Adrian von Bubenberg steht (Berns Verteidiger des belagerten Städtchens Murten). Das Denkmal soll in die Mitte des Hirschengrabens verlegt worden, der auch neu gestaltet würde (dazu später). Wer im RBS-Bahnhof unten ankommt, kann dann also entweder beim Eckhaus ins Freie gelangen oder ennet dem Bubenbergplatz am Hirschengraben. Die Prognose sagt, dass das Fussgängeraufkommen so gross sei, dass es beide Ausgänge brauche.
- Auf dem Bubenbergplatz reduziert die Stadt die Autospuren, schafft breitere Trottoirs, Velo- und Zebrastreifen, verringert und steuert das Ampelsystem vermehrt zu Gunsten der Fussgänger (mehr Grün). Insgesamt soll der Autoverkehr um 60 Prozent abnehmen. Dies hat Konsequenzen bis zum Bollwerk und zum Henkerbrünnli.
Hirschengraben
Am Hirschengraben soll es beim Aufgang der Personenunterführung und der Verschiebung des Bubenberg-Denkmals nicht bleiben. Ursprünglich war vorgesehen, unter dem Park eine Velostation zu bauen. Darauf wird jetzt vorläufig verzichtet. Dennoch sollen die gut hundert Jahre alten Kastanien allesamt gefällt und durch junge Bäume ersetzt werden, die in Betonwannen gepflanzt und künstlich bewässert würden. Auf der Website steht, es werde «die ganze Parkanlage neu gestaltet und markant aufgewertet.»
Argumente der Gegner
Soweit die Abstimmungsvorlage. Gegen die Fussgängerunterführung unter dem Bubenbergplatz und die Umgestaltung des Hirschengrabens haben sich unter anderen alt Nationalrat Peter Vollmer (SP) und Jürg Schweizer, ehemaliger kantonaler Denkmalpfleger, vehement zu Wort gemeldet mit der Botschaft «Retten wir den Hirschengraben». Dem Komitee, für das sie sprechen, gehören namhafte Bau- und Gestaltungsfachleute an, ebenso der Berner Heimatschutz. Sie betreiben zwei Webseiten: hirschengraben.be sowie BernKannsBesser.ch.
Ihre Argumentation:
Die Führung von Menschen unter dem Boden atme den Geist von gestern.
Die neue Platzierung des Denkmals sei falsch.
Die Kastanienbäume seien nicht krank und könnten bei guter Pflege noch lange leben; vereinzelte beschädigte Bäume liessen sich problemlos ersetzen.
Wenn auf die unterirdische Velostation verzichtet werde, bestehe kein Grund, den Hirschengraben umzugestalten – es sei denn als verkappte Vorarbeit zu einer für später doch vorgesehenen Unterkellerung für Fahrräder.
Da in naher Zukunft auch der Bubenbergplatz umgestaltet werde (Zeithorizont 2035), enge man mit dem Neubau des Eckhauses, der Unterführung und der Abholzung des Hirschengrabens die Lösungsfreiheit mit neuen Sachzwängen ein.
Um Falsches zu verhindern, Unnötiges zu vermeiden und eine Salamitaktik zu verunmöglichen müsse man am 7. März Nein stimmen.
Die Gegner wollen indes nicht lediglich die Vorlage des Gemeinderats und des Stadtrats zu Fall bringen. Sie wollen Zeit kaufen für eine aus ihrer Sicht umsichtige Lösung am Bubenbergplatz. Für eine Lösung in einem erweiterten Stadtraum. Für eine Lösung jenseits der Behauptung, zu den am 7. März zur Abstimmung gelangenden Massnahmen gebe es keine Alternative. Welche Alternativen sehen sie?
Erweiterter Denkraum Bogenschützenstrasse
Beginnen wir dort, wo ab 2027 die Fahrgäste aus der Tiefe des neuen RBS-Bahnhofs ans Tageslicht kommen werden. Gemäss Abstimmungsvorlage mündet die Treppe im freigelegten Parterre des neu errichteten Eckhauses. Die Kritiker schlagen demgegenüber vor, die Treppe auf der anderen Seite der Bogenschützenstrasse unter dem PostParc (der ehemaligen Schanzenpost) auftauchen zu lassen. Ein über die Strasse gespanntes Glasdach würde die Passantinnen und Passanten beim Überqueren der schmalen Bogenschützenstrasse «beschirmen», bis sie durch das «ausgeräumte» Erdgeschoss des Eckhauses zum Bubenbergplatz gelangen. Das Haus müsste dafür nicht abgerissen werden, vielmehr könnte dadurch eine lichte Bahnhofhalle entstehen, wo man auf Reisende warten, einen Kaffee trinken oder sich orientieren kann. Noch weitergedacht könnte auch der andere Teil des Gebäuderiegels am Bubenbergplatz, die Nummer 8, ähnlich umgestaltet werden: Die auch hier offene Zone des Erdgeschosses böte noch mehr Platz für die Verteilung der Fussgänger.
Ein Personendurchgang unter dem Bubenbergplatz erscheint den Gegnern der Abstimmungsvorlage nicht erforderlich, wenn das Verkehrsregime auf dem Bubenbergplatz konsequent zu Gunsten der Fussgänger umorganisiert wird.
Der geschützte Hirschengraben
Der Hirschengraben bliebe unangetastet. Von den bestehenden Kastanien ist die eine und andere mechanisch beschädigt und müsste wohl ersetzt werden. Und es braucht Ersatzstandorte, für die vielen wild platzierten Velos; diese verhindern heute, dass die barocke Anlage als kleiner Park wahrgenommen und genutzt wird. Der Boden soll aus Mergel bleiben, der für das Gedeihen der Bäume besser ist als Pflästerung oder gar Steinplatten, die die im Sommer zunehmende Hitze speichern und an die Wurzeln weitergeben. Vor allem aber: Der Schatten der Bäume bliebe wirksam und wohltuend. Demgegenüber bräuchten neu gepflanzte Bäume zumindest zwei oder drei Jahrzehnte bis sie eine Grösse erreichten, die den Menschen Kühlung brächte.
Zum erweiterten Denkraum gehört noch ein Element. Es ist der ÖV. Der Hirschengraben ist derzeit eine einzige Tram- und Bushaltestelle. Fast im Minutentakt fahren die Fahrzeuge der Linien 6, 7, 8, 9 und 19 an. Wie liesse sich dieser ununterbrochene Strom ausdünnen? Indem die Trams aus dem Kirchenfeld – die Linien 6, 7, 8 – auf der Höhe des Casinoplatzes in die Kocher- und Bundesgasse weitergeleitet würden und beim «Bund»-Gebäude in die bestehenden Schienen Richtung Westen münden würden. Dass die Trams vor dem Parlamentsgebäude keine Oberleitungen haben dürfen, lässt sich technisch lösen.
Natürlich wirft eine solche Idee Fragen auf nach der Machbarkeit. Doch sie bietet eine Denkalternative und dürfte in der Umsetzung nicht anspruchsvoller sein als jene des Trams nach Ostermundigen. Jedenfalls würde so der Abschnitt vom Zytglogge bis zum Bahnhof erheblich vom ÖV entlastet.