Bischof dankt Berner Katholiken

von Rita Jost 29. Juni 2021

Eine Million Franken hat die Katholische Kirche Region Bern in der Coronazeit für Bedürftige gespendet. Mit diesem Geld wurden verschiedene Projekte unterstützt. Bischof Felix Gmür dankte den Verantwortlichen für das beispielhafte Handeln.

20. März 2020: in der absolut menschenleeren Marktgasse schreit eine verzweifelte Frau lauthals ein vorbeifahrendes Tram an. Es ist für sie offenbar in diesem Moment die einzige Möglichkeit, ihre grenzenlose Ohnmacht auszudrücken. «Es war ein berührendes und auch surreales Ereignis», so beschreibt es Karl-Martin Wyss heute. Der Präsident des Kleinen Kirchenrats der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde weiss aber im Nachhinein auch: es war der Auslöser für eine beispiellose Aktion: die katholische Kirchgemeinde stellte spontan eine Million Franken für bedürftige Corona-Betroffene bereit. Denn in diesem Moment sei ihm und seinen Kollegen klar geworden: «Jetzt geht es um die entscheidenden Fragen: wo sind jetzt all die Menschen, die schon in normalen Zeiten am Rand der Gesellschaft leben? Wer kümmert sich aktiv um sie? Sind die existenziell wichtigen Anlaufstellen noch geöffnet oder bereits überlastet?». Die Exekutive der Berner Katholiken fällte noch am gleichen Tag den Entscheid, eine Million Franken für Soforthilfe bereitzustellen. Innert Kürze stand ein professionelles Konzept. Und bereits eine Woche später wurden erste Hilfsgelder ausbezahlt.

«Das Beispiel der katholischen Kirche in Bern zeigt, wie vielschichtig und vernetzt die Kirche mit den Menschen unterwegs ist», sagte Bischof Felix Gmür bei einem Besuch in Bern. Er erinnerte daran, dass in der Schweiz Armut ein verbreitetes Phänomen ist: «Armut betrifft über eine Million Menschen. Die Hilfeleistung an Notleidende ist ein wichtiger Pfeiler der Kirchen.» Der Bischof forderte deshalb die Verantwortlichen in der katholischen Berner Kirche auf, angefangene Projekte weiter zu verfolgen. Effektiv gibt es bereits Nachfolgeprojekte. Aus den Steuereinnahmen 2020 soll Geld für Berufsintegration und die Förderung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach Corona fliessen. Das Kirchenparlament hat dem Antrag soeben zugestimmt.

Wie wurde geholfen?

Mathias Arbogast, Mitglied des Projektteams zur Verwendung der Corona-Million, schildert die besonderen Herausforderungen, die der Lockdown im Frühjahr 2020 an die Verantwortlichen in seiner Fachstelle Sozialarbeit stellte. «Die Lebensmittelabgabe von Tischlein deck dich war eingestellt worden. Mittagstische und Treffpunkte mussten schliessen.» Viele dieser Anlaufstellen hätten für die Nutzergruppen eine Art «Stubenfunktion», sie sind ihre Heimat. «Das Wegbrechen dieser Stuben wirkte sich bei vielen negativ auf die psychische Gesundheit aus.» Erste Priorität hatte darum für das Projektteam die Sicherstellung einer Grundversorgung mit Lebensmitteln und die Bereitstellung medizinischer Behandlungen. Hilfspakete mit Einkaufsgutscheinen wurden geschnürt – die Migros beteiligte sich mit 20 000 Franken – so dass während zwei Monaten rund 500 Haushalte unterstützt werden konnten.

Im Restaurant 44 von Wohnbern im Breitfeld wurden in den Wochen des Lockdown 7000 warme Mahlzeiten gekocht und ausgegeben. Dieses Essen wurde an Menschen verteilt, die wegen drohender Obdachlosigkeit auf Wohnbegleitung angewiesen sind oder regelmässig im Restaurant 44 zum Essen kommen. Viele dieser Menschen sind suchtabhängig oder gehören alters- oder gesundheitsbedingt zur COVID-Risikogruppe.

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In der Küche des Restaurants 44 im Breitfeld wurden während des Lockdown über 7000 warme Mahlzeiten gekocht und abgegeben. (Foto: zvg)

 

Weiter wurden zwanzig soziale Institutionen in Bern – von der Gassenarbeit über die Telefonberatung, das Frauenhaus sowie Sport- und Jugendarbeit – unbürokratisch finanziell unterstützt.

Sind Kirchen krisenerprobter?

Soziales Engagement gehöre zur DNA der Kirchen, sagten die Verantwortlichen Kirchenvertreter an einer Medienorientierung. Bei den Katholiken der Region Bern mache die Hilfe von Notleidenden rund 8 Millionen oder fast ein Viertel der Gesamtausgaben aus, sagt die verantwortliche Ressortleiterin im Kleinen Kirchenrat, Monika Moritz. Die Corona-Million sei aber eine Zusatzausgabe gewesen – «die Not hat uns angetrieben.» Kirchen reagierten in einer Krise tatsächlich oft schneller und unbürokratischer als politische Gemeinden oder der Staat, bestätige auch Bischof Felix Gmür, weil sie nahe bei den Menschen sind. Von Konkurrenz oder Lückenbüsserfunktion wollte er allerdings nicht sprechen. Man ergänze sich – «Gott sei Dank!»