Big Pond in a Small Town

von Luca Hubschmied 28. Juli 2022

Sommerserie (9): Bei Temparaturen über 30 Grad geht die halbe Stadt baden und zieht dabei die kritische Überlegtheit gleich mit runter. Denn Lokalkolorit ist der wasserfeste Anstrich des Freibadbeckens. Eine Tour d’Horizon über sommerlichen Freizeitspass und Missmut als Begleiterscheinung.

Die Hitze des Sommers bringt selbst laue Storys zum Kochen und auf dem seichten Wasser der Allgemeinplätze treiben schnell mal Superlative. Auch die Berner Freibäder ziehts gelegentlich in diesen Sog. So wird alljährlich, jeweils ab Ende Mai, an vielen Ecken Berns die Floskel rezitiert, das Weyerli sei das grösste Schwimmbecken Europas.

In den letzten Jahren hat sich die Aussprache des Weyerli-Rekordes jedoch verändert. Immer häufiger ist vom grössten Pool «Westeuropas» die Rede. Die Suche nach entsprechenden Belegbarkeiten gestaltet sich allerdings schwierig.

Der «Bund» zum Beispiel schreibt in seiner Mega-Reportage über die Mega-Badi gleich mal von Europas grösstem Pool. Später im selben Text folgen Zahlen: «23 Millionen Liter Wasser, 16’000 Quadratmeter Wasserfläche – der grösste Pool Europas steht im Weyermannshaus.» Trotz des immensen Volumens: Die Quellenlage bleibt unbefriedigend.

Unterdessen klammern sich hiesige Gemüter an das Weyerli-Extrem wie tropfend nasse Badegäste ans Frottiertuch.

Zumindest führt Wikipedia eine Liste der grössten Schwimmbecken. Das Weyermannshaus glänzt darin durch seine sonnencremegeölte Abwesenheit. Auch auf der Suche nach dem ominösen Konkurrenten aus «Ost»-Europa, der dem Weyerli den Kontinentaltitel streitig macht, trübt man höchstens im Fischen. Als Vergleichsmassstab setzt Wikpedia die Oberfläche der Becken an. Für viele der Pools fehlen Angaben zum Volumen, obwohl dies angeblich das Erfolgskriterium des Weyerli sein soll. Die rasche visuelle Inspektion bestätigt aber, dass das Weyerli gegenüber dem San Alfonso Pool ein Nasenwasser ist. Auf dem Chilenischen Monsterpool sind kleine Segelschiffe unterwegs. Auch bemerkenswert: Der grösste Infinitypool der Welt in Singapur – hier in Videoansicht zu betrachten.

Ein beneidenswerter Rekord!  Unterdessen klammern sich hiesige Gemüter an das Weyerli-Extrem wie tropfend nasse Badegäste ans Frottiertuch. Dabei boote doch etwa die anstehende Ka-We-De Sanierung die Möglichkeit, flächendeckend und randabfallend zu bauen und somit der Badeanstalt ihren Platz an der Sonne zurückzugeben. Zum Infinitypool wird – das verraten die Visualisierungen des Siegerprojekts – die Ka-We-De aber auch in Zukunft nicht umgestaltet.

Die angedachte sanfte Sanierung des Freibads freut Eva Zbinden-Kaessner, Co-Präsidentin des Vereins «Freunde der Ka-We-De»: «Für die Sanierungspläne muss ich der Stadt und Stadtbaumeister Thomas Pfluger ein Kränzchen winden.» Der Planungsprozess sei sehr partizipativ erfolgt und der Verein habe stets Gehör erhalten. Auch das Siegerprojekt sei die bevorzugte Variante der «Freunde der Ka-We-De» gewesen: «Die Badi wird als Familienbad belassen. Andere Projekte tendierten in Richtung einer Lifestylebadi», sagt Zbinden-Kaessner. Ihr sei es aber wichtiger, dass sich die Kinder bewegen könnten.

Kein Infinitypool: Die Zukunft der Ka-We-De. (Visualisierung: Nightnurse Images)

Der Unterstützungsverein hatte sich aus Sorge um die in die Jahre gekommene Badeanstalt gegründet: 2010 sollte die Ka-We-De geschlossen werden und 2016 standen Pläne einer Fusion mit dem Tierpark im Raum. «Wir haben uns dagegen gewehrt, weil wir die Ka-We-De schätzen und sie erhalten wollen», erklärt Zbinden. Sie sei ein tolles Familienbad, das insbesondere durch die Wand um die Becken für Familien mit Kindern eine gewisse Sicherheit bringe.

Die Ka-We-De bringt uns zum nächsten, oft rezitierten Irrtum: Die Stadtberner Freibäder vereint zwar der freie Himmel, aber nicht etwa der freie Eintritt. Als einzige der Anstalten verlangt die Ka-We-De einen Batzen für den Einlass. Und zwar fürs sommerliche Spektakel im Sommer wie auch im Winter, wenn im Schlittschuhverkehr die Ärsche auf Grundeis gehen.

Die Überlegungen zu den Eintrittspreisen führen uns zum Kern aller Sommerfreuden: Geld und Konsum.

Die Begründung für den in der Ka-We-De verlangten Obolus kennt auch Zbinden-Kaessner nicht: «Das liess sich nicht eruieren, scheint also ein historisch gewachsener Umstand zu sein. Erklären lässt er sich vielleicht damit, dass zur Ka-We-De ein Wellenbad gehört und die Fläche im Winter zur Eisbahn wird.»

(In die Ursprünge der Gratiskultur Berner Badis ist übrigens bereits die Hauptstadt eingetaucht – den Artikel gibt’s hier kostenlos zu lesen. Die Ka-We-De Ausnahme wird nicht erwähnt)

Die Überlegungen zu den Eintrittspreisen führen uns zum Kern aller Sommerfreuden: Geld und Konsum. Die beiden haben die sommerliche Diskussion schon vor fünf Jahren beehrt, als Hot-Dog-Gate die Sprungbretter betrat. Auslöser für den Skandal im Sommer 2017 waren das Gastrokonzept und die entsprechenden Preise der neuen Beizli-Pächter*innen im Wyler, im Weyerli und in der Ka-We-De. Die Empörung über die Wurst im Brot zum Preis von 9.50 schlug hohe Wellen und gipfelte darin, dass jene Juso-Mitglieder, die die Sommerferien hier verbrachten, vor dem Weyerli Gratishotdogs verteilten. Aber nicht nur die Preispolitik, auch die Wartezeiten gaben zu reden: Mit «Chaos in der Ka-We-De», eröffnete Christoph Hämmann den Lead in der BZ. Auf den reisserischen Anfang folgt die Makroaufnahme einer Beizli-Quittung. Wies weitergeht im Text bleibt ungewiss, der Tagespass für die BZ kostet 3 Franken und damit einen knappen Drittel von Hämmanns Hot-Dog.

Beendet wurde die Debatte erst durch den damaligen Festivalkolumnisten Simon Preisig, der der Diskussion eine neue Rollwende gab und am Gurtenfestival den 10-Franken-Hotdog publik machte:

Vollkommen bekleckerte Symbolpolitik? Mitnichten, denn die entsprechende Entwicklung scheint ungebremst:  Dieses Jahr haben neue Wirt*innen drei der fünf Badilokale übernommen. Auch diese werden gemäss Schlagzeile ihre Menüs weiter veredeln. In Anbetracht dieser Verwertungsspirale, die mehr Windungen schraubt als die handelsübliche Wasserrutsche, dürfen wir von Glück reden, dass zumindest das Lorrainebad der drohenden Privatisierung entzogen wurde. Dort schwimmen unbeirrt die Fische im trüben Becken. Wie ich diesem aufschlussreichen Text entnehme, haben sich ihre Körpergrössen den Platzverhältnissen angepasst. Also nix mit big fish in a small pond. Eher big pond in a small town.

Und um auf Rekordkurs zu bleiben: Sagenhafte 14 Freibadmetaphern finden sich im Text. Damit ist dies der wässrigste Artikel Westeuropas. Die Konkurrenz spielt höchstens im Planschbecken.

Es bleiben aber mindestens zwei Fragen offen und der Autor freut sich über Hilfe:

  • Welches ist der grösste Pool Osteuropas?
  • Warum bezeichnet Wikipedia zwei verschiedene deutsche Pools jeweils als den grössten Deutschlands?