Berns Spielzeughimmel und Höllen in Bildern

von Jessica Allemann 10. Dezember 2012

Mädchen träumen von Hochzeitskutschen, Buben wollen die Segel des Piratenschiffs hissen. Nicht in Schweden. Genderdebatte ist dort, wenn Mädchen zu bunten Gewehren und Buben zu Plastikbügeleisen greifen (müssen). Und in Bern?

Im Weihnachtskatalog des schwedischen Spielzeugherstellers Top Toy, einem Franchiseunternehmen von Toys’R’Us, spielen Buben mit einem Spielzeugstaubsauger, führen rosarote Plüschhunde Gassi während Mädchen das Fell des Schlagzeugs trommeln und sich an Merchandisingprodukten einer erfolgreichen Fussballmannschaft erfreuen.
Mit ihrem «genderneutralen» Spielzeugkatalog reagiere das Unternehmen auf die in Schweden seit Jahren intensiv geführte Debatte über geschlechtsspezifische Rollenbilder und auf die Kritik der schwedischen Werbeaufsicht für ihre geschlechtsstereotypisierte Werbung. Auch habe der Konzern das Verkaufspersonal angehalten, Käuferinnen und Käufer nicht per Geschlecht der zu Beschenkenden in die Mädchen- oder Jungenabteilung der Läden zu schicken.

Gender Mainstreaming ist in Schweden keine leere Worthülse. Die systematische Umsetzung von Gleichstellungspolitik in allen Lebensbereichen – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – beginnt dort bereits im Kindergarten. 2008 formierte das schwedische Bildungsministerium eine Kommission zur Gleichheit in Schulen und investierte rund 12,4 Millionen Euro, um das Thema im Bereich Bildung voranzutreiben. Der Effekt: Das Land hat in Sachen Geschlechtergleichstellung weltweit die Nase vorn.

Und wenn selbst im hohen Norden die praktische Gleichstellung der Geschlechter nicht erreicht ist, auf der Rangliste des Gender Inequality Index (Index für geschlechtsspezifische Ungleichheit) des Human Development Index (Index für menschliche Entwicklung) der Vereinten Nationen steht Schweden an oberster Stelle. Die Schweiz folgt nach Holland und Dänemark auf Platz 4.*

Berns Spielwarenregale spielen mit Klischees

Wie es denn in den Regalen der hiesigen Kinderspielwarenläden aussieht, wollten wir genauer wissen und sind mit Kamera losgezogen. Die Bilderfolge zeigt ein ernüchterndes Bild: Zu Weihnachten scheint das Bewusstsein über rollenstereotypisierte Kindererziehung einen Winterschlaf abzuhalten. Pinkfarbene Schminktäschchen stehen neben Polizistenfigürchen auf Verbrecherjagd. Im «Bubenteil» der Läden hängen Helikopter und Flugzeuge von der Decke herunter, in der «Mädchenecke» stapeln sich rosarote Kinderwagen und Spielzeugherde. Und eine Verkäuferin klärt ihre Kundin gerade darüber auf, dass die Legosteine in der blauen Kiste für Buben und die in der rosaroten Kiste für Mädchen seien, wohingegen «mit den Legosteinen in der grünen Kiste beide spielen können».

Ob das ungelenke Umkehren der stereotypisierten Rollenbilder in einem Spielzeugkatalog dieselben in den Köpfen der Betrachterinnen und Betrachter zu überschreiben vermag, sei dahingestellt. Ein Schub hin zu einem realistischeren Umgang mit Erwachsenenrollen gegenüber von Kindern würde aber auch in Bern sicherlich nicht schaden.