Die Winterzeit steht an, während draussen die Bäume ihre Blätter verlieren und die Temperaturen immer tiefer sinken, werden die Heizkörper immer weiter aufgedreht. Doch wie wärmen sich die Berner*innen ihr Zuhause heute und in Zukunft? Heizöl und Erdgas sind momentan Hauptbestandteil der Wärmeversorgung unserer Haushalte. Der Vorsatz hingegen wäre, in naher Zukunft erneuerbare Energieträger als Hauptversorger zu nutzen.
Denn die Stadt Bern will die Pariser Klimaziele bis 2035 erreichen. So steht es im städtischen Klimareglement. Darin hat sie einen entsprechenden Absenkpfad definiert. Der erste Schritt soll bereits 2025 erreicht sein: Bis dann will die Stadt die Treibhausgasemissionen pro Kopf auf 3,14 Tonnen CO2-Äquivalente reduziert haben. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 betrug diese Zahl 4,46 Tonnen. Langfristig sollen in der Stadt Bern nur noch so viele Treibhausgase freigesetzt werden, wie das lokale Ökosystem binden kann.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Energieversorgung, für die auf dem Gebiet der Stadt Bern Energie Wasser Bern (ewb) zuständig ist. Damit ewb die Stadt zukünftig mit nachhaltiger Energie versorgt, hat der Gemeinderat 2015 eine Energiestrategie ausgearbeitet. Aus dieser geht hervor, dass die Stadt Bern für die Wärmeversorgung im Jahr 2013 hauptsächlich Erdgas und Heizöl verwendete. Aber auch der aktuelle Anteil dieser beiden Energieträger macht bei der Wärmeversorgung immer noch die Mehrheit aus. Bis 2035 sollte dieser Anteil von erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Der Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung betrug 2021 gerade mal 27 % – zu wenig, um Mittels linearem Zuwachs noch das Ziel fürs Jahr 2025 zu erreichen.
Will die Stadt die Klimaziele erreichen, muss sie also schleunigst Alternativen für diese fossilen Energieträger finden. Die städtische Energiestrategie sieht deshalb für das Jahr 2025 einen Anteil von 40 % erneuerbarer Energien bei der Wärmeversorgung vor.
Die Stärkung der erneuerbaren Energien soll etappenweise einen Rückzug aus dem Gasgeschäft bewirken. Die Nutzung von Erdgas als ein fossiler Energieträger hat nämlich nicht nur einen negativen Effekt auf die globale Klimaerwärmung, sie bringt auch gesellschaftliche Probleme mit sich. Bis Ende 2021 war Russland für 43 % des Gasimports verantwortlich und war somit mit Abstand der grösste Importpartner der Schweiz. Doch durch den Angriffskrieg Russlands vom 24. Februar 2022, rückten die negativen Konsequenzen von Erdgas als einer der Hauptenergieträger vermehrt ins Bewusstsein. Unsere starke Abhängigkeit des Imports führte zu einer Versorgungsunsicherheit. Doch eine grössere Autonomie ist für die Schweiz mit Erdgas nicht zu erreichen.
Wo steht die Stadt Bern heute?
Um sicherzustellen, dass sich die Energieversorgung auf dem richtigen Pfad befindet, erstellt die Stadt Bern Controllingberichte zur Energiestrategie. Der letzte solche Bericht stammt aus dem Jahr 2021. Darin stellt die Stadt einen hohen Handlungsbedarf fest. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung betrug 2021 gerade mal 27 % – zu wenig, um Mittels linearem Zuwachs noch das Ziel fürs Jahr 2025 zu erreichen.
Ein Blick in den ewb-Geschäftsbericht vom letzten Jahr zeigt, dass sich am Handlungsbedarf wenig geändert hat: Noch immer bezieht ewb weitaus mehr Gas, als nachhaltige Wärme fürs Fernwärmenetz produziert wird. Der Anteil an Biogas aus der Schweiz ist dabei verschwindend klein.
Im Mai dieses Jahres forderten Stadträt*innen in einem Postulat vom Gemeinderat eine Ausstiegsstrategie. In seinem Prüfungsbericht bekennt sich der Gemeinderat zwar zum Ziel des Ausstiegs aus dem Erdgas, folgt dem Postulat aber in der Mehrzahl der Punkte nicht. Einzelne Technologien gegeneinander auszuspielen sei kontraproduktiv, meint der Gemeinderat.
Kein physischer Rückbau geplant
Das Potential für inländisches Biogas ist allerdings sehr beschränkt. Schweizer Biogas macht nur einen kleinen Teil dessen aus, was hierzulande als erneuerbares Gas durch die Leitungen strömt. Zwar könnte die Schweiz noch weitaus mehr Biogas produzieren, doch selbst dann müsste Biogas aus dem Ausland importiert werden. Weiter bräuchten diese Länder ihr Biogaspotenzial eigentlich selbst, um die Klimaziele erreichen zu können.
Doch importiertes Biogas hat einen Haken: Es handelt sich dabei um Erdgas, das als Biogas zertifiziert wurde. Das Zertifikat verspricht, dass andernorts dieselbe Menge Biogas produziert wurde. Dabei kann nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass es dabei zu Doppelbuchungen kommt. Wie viel diese gesamteuropäische Mischrechnerei überhaupt bringt, ist also fraglich. Denn am Ende geht es darum, dass grundsätzlich weniger fossiles Gas verbrannt wird. Indem das Erdgas einfach durch Biogas ersetzt wird, gelingt das nicht – das Potential für erneuerbares Gas in ganz Europa deckt nur einen kleinen Teil des aktuellen Verbrauchs.
Obwohl sich die Stadt für eine teilweise Stilllegung ausspricht, legt sie keinen konkreten Plan dafür vor.
Dennoch spiele Biogas beim Ausstieg aus dem Erdgas eine wichtige Rolle, schreibt die Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie der Stadt Bern (SUE) auf Anfrage. Es soll zumindest als Übergangslösung dort eingesetzt werden, wo aktuell keine Alternative zu Gas besteht. Aus diesem Grund sieht der Gemeinderat davon ab, das Gasnetz rückzubauen, wie das im Postulat gefordert wird. Stattdessen soll es teilweise stillgelegt werden, damit der Betrieb in Zukunft für nachhaltiges Gas wie Biogas oder der Power-to-Gas-Technologie (P2G) wieder aufgenommen werden kann.
Bei P2G wird aus überschüssigem Strom, etwa aus Photovoltaik-Anlagen, synthetisches Methan hergestellt. Aktuell ist ungewiss, wie hoch das Potential dieser Technologie überhaupt ist, denn sie geht mit einem erheblichen Energieverlust einher. Ebenso wenig klar ist, welche Kosten und Mehraufwände durch die Wartung eines stillgelegten Gasnetzes entstehen würden. Dazu schreibt die SUE: «Diese Fragen werden von ewb aktuell im Rahmen einer Studie geklärt.»
Ein weiterer Grund, den der Gemeinderat mitteilt, bezieht sich auf Gebiete wie die untere Altstadt. Bislang gibt es dort noch keine Möglichkeit, eine flächendeckende, erneuerbare Lösung anzubieten, da die Infrastruktur einen Anschluss an das Fernwärmenetz nicht ermöglicht. Somit muss mindestens dieser Teil des Gasnetzes bestehen bleiben.
Nachhaltige Energie im Fernwärmenetz
Den verbleibenden Energiebedarf will die Stadt hauptsächlich über das Fernwärmenetz decken. Seit 2020 baut die ewb dieses aus, mit dem Ziel, im Westen Berns die Wärmeversorgung hauptsächlich über erneuerbare Energie aus dem Fernwärmenetz zu gewährleisten. Aktuell wird dieses Netz vor allem aus der Energiezentrale Forsthaus gespeist. Hundertprozentig erneuerbar ist die Energiezentrale aber noch nicht: Neben der Abwärme der Kehrichtverbrennungsanlage und einem Holzheizkraftwerk betreibt die ewb auch ein Gas- und Dampf- Kombikraftwerk. Dessen Stilllegung wird allerdings auf 2035 angestrebt.
Um den grösseren Energiebedarf im Fernwärmenetz decken zu können, plant die ewb weitere Energiezentralen. In Buech im Westen Berns will ewb beispielsweise einen saisonalen Wärmespeicher betreiben, der überschüssige Energie aus der Energiezentrale Forsthaus im Boden speichert. Diese soll mit Erdsonden bei Bedarf wieder angezapft werden.
Ergänzt soll das Angebot durch lokale Quellen in den verschiedenen Quartieren werden. Dazu zählen die solare Wärme, Wärme aus dem Grundwasser, Geothermie und Abwärme. Weiter soll das Netz durch Nahwärmeverbünde ergänzt werden. Derzeit sind über die ganze Stadt verteilt 19 solcher Verbünde in Betrieb, wie die Energiedirektion schreibt.
Ein konkreter Plan fehlt noch
Mit dem Ausbau der Fernwärme und der Beschränkung von Gas auf bestimmte Gebiete scheint die Stadt Bern dem festgestellten Handlungsbedarf nachzukommen und zumindest in der Planung dem Absenkpfad zu folgen. Ob diese Massnahmen tatsächlich reichen werden, ist schwer vorherzusagen. Dazu wird weiterhin regelmässiges Monitoring nötig sein.
Sofern sich die zukünftige Nutzung von Gas ausschliesslich auf jene Gebiete beschränkt, in denen Alternativen zum Gas unmöglich oder schwer umsetzbar sind, befindet sich die Stadt auf einem guten Weg. Dass der Gemeinderat und ewb aber auf einen Rückbau des Gasnetzes verzichten und nach wie vor auf Technologien mit ungewissem oder umstrittenem Potential setzen, irritiert hingegen. Und obwohl sich die Stadt für eine teilweise Stilllegung ausspricht, legt sie keinen konkreten Plan dafür vor. Zum Vergleich: Städte wie Basel und Zürich arbeiten bereits jetzt konkret an der Stilllegung des Gasnetzes. In Zürich Nord soll das gesamte Gasnetz bereits im nächsten Sommer ausser Betrieb genommen werden.
Der Gesamtenergieverbrauch von Bern fällt noch immer relativ hoch aus.
Dass die Pläne der Stadt Bern im Vergleich dazu wenig Konkretes beinhalten, findet auch der Klimastreik Bern. Er fordert deshalb von ewb einen vollumfänglichen Ausstieg aus dem Erdgas bis 2030. Die Aktivist*innen wandten sich kürzlich an den Personalverband der Stadt Bern mit dem Anliegen, ihrer Forderung im Verwaltungsrat von ewb Gehör zu verschaffen. Der Personalverband vertritt im ewb-Verwaltungsrat die Interessen der Arbeitnehmenden. Den dafür vorgesehenen Sitz hat derzeit die SP-Ständerätin Flavia Wasserfallen inne. Bereits im vergangenen Frühling kritisierte der Klimastreik Bern die Gasstrategie von ewb.
Damit der Ausstieg aus dem Erdgas gelingt, muss aber der Energiebedarf überhaupt erst verringert werden. Der Gesamtenergieverbrauch von Bern fällt noch immer relativ hoch aus. Eine Möglichkeit zur Reduktion des Energieverbrauchs wäre die Erhöhung der Sanierungsquote. Damit ginge weniger Energie verloren. Weiter kann mithilfe eines bewussten Verhaltens der Konsument*innen und durch das Nutzen von effektiveren und nachhaltigen Energievarianten ein Teil des Verbrauches eingespart werden.
Auch hier muss noch einiges getan werden. Der Stadt Bern scheint der Mut für den definitiven Absprung aber noch zu fehlen. Bis alle Stadtberner*innen ihre Heizung im Winter ohne schlechtes Gewissen aufdrehen können, fliesst wohl noch eine Menge Erdgas durch die hiesigen Leitungen.