Bern Ost: Die Zeit ist reif für neue Ideen

von Sabine Schärrer 30. August 2016

Im Osten Berns reifen neue Ideen zur Aufwertung des Quartiers. Im Zentrum der Überlegungen steht der Freudenbergerplatz.

Sabine Schärrer, Geschäftsleiterin der Quartierkommission und langjährige Beobachterin der (Nicht-)Entwicklung im Osten Berns, stellt fest, dass Bewegung in die festgefahrenen Denkansätze kommt.

Zufälle oder Fügung?

vielleicht ist einfach langsam die Zeit reif für die Entwicklung im Berner Osten…

Zufall 1 ‚East Side Stories‘ 

Saure Gurkenzeit in den Sommerferien. Mehr aus Gwunder und weil ich grad so schön Zeit habe besuche ich die Schlusspräsentation der Masterarbeiten der ETH-Z Raumplanung mit dem umständlichen Titel: Wohnstadt Bern? Perspektiven für die Raumentwicklung in der Hauptstadtregion. Und bin sofort hellwach! Eine der Studiengruppen befasst sich explizit mit Berns Osten und dessen ‚East Side Stories‘. Das junge Autorenteam erzählt teilweise ganz andere Geschichten als das neue offizielle Stadtentwicklungskonzept STEK 2016 und untermauert in wesentlichen Punkten die bisher vergeblichen Forderungen der Quartierkommission QUAV4. Einige Beispiele?

Ohne Bypass keine Entwicklung?

Mantraartig wird auch in der Endfassung des Stadtentwicklungskonzepts STEK 2016 wiederholt, dass ohne den Bypass der A6 überhaupt keine wesentliche Entwicklung im Osten der Stadt möglich sei. Die Analyse der ‚East Side Stories‘ widerspricht: Das Warten auf den Bypass blockiert alle übrigen Entwicklungen (und Denkprozesse. Anmerkung der Autorin) und schiebt die längst nötige Stadtreparatur unnötigerweise auf die lange Bank. Als Kontrapunkt Ost zur Entwicklung Westside-Brünnen sollen die ‚Stadtreparatur‘  und der ‚Qualitätsentwicklungsschwerpunkt‘ Bern Ost forciert und in verschiedenen Zeithorizonten umgesetzt werden um das grosse Potential für die gesamte Stadtentwicklung auszuschöpfen. Unabhängig vom Fahrplan Bypass A6, aber immer im Hinblick darauf, dass dieser dereinst in 30 Jahren vielleicht doch noch verwirklicht werden könnte.

Aufwertung Freudenbergerplatz

Nach dieser Lesart würde das an sich wünschenswerte Gross-Projekt des Bypass A6 quasi als Bonus zusätzliche Entwicklungen wie Rückbau der Verkehrsfläche, Verbindung heute getrennter Quartiere, Ausbau von Wohnquartieren entlang der ehemaligen Autobahn etc. etc. ermöglichen. Aber: es müssen auch sofortige Verbesserungen wie z.B. der unzeitgemässen Verkehrswüste Freudenbergerplatz möglich sein. Ganz im Sinne der QUAV4- Forderungen beurteilt die Studie ‚East Side Stories‘ den ‚Plan B‘ für den Freudenbergerplatz mit einer kurzfristigen Quartierreparatur als unerlässlich. Statt wie die Maus vor der Schlange den Bypass abzuwarten, kann im Rahmen der heutigen Möglichkeiten gehandelt werden um Aufenthaltsqualität und Langsamverkehr zu verbessern. SUBITO!

Zufall 2 ‚Der Himmel von Bern‘

Zufällig während der Zeit der öffentlichen Mitwirkung zum Stadtentwicklungskonzept STEK 2016 findet vom 5.-17. September am Freudenbergerplatz das diesjährige KIÖR (Kunst im öffentlichen Raum) Projekt der Kulturabteilung der Stadt Bern statt. Das Projekt ‚Der Himmel von Bern‘ interessiert sich für die Gegenwart des Freudenbergerplatzes und öffnet einen Denkraum für eine mögliche Zukunft. Das Künstlerkollektiv BURGHARD aus Berlin tapeziert die graue Decke des Autobahnviadukts mit frühlingshaft blauem Himmel und weissen Wölkchen, öffnet damit eine Vision und gibt zusätzliche Denkanstösse in Form einiger Inputveranstaltungen, aber spielt im Übrigen den Ball dem Quartier zu: Freudenbergerplatz als Lebens- oder Verkehrsraum? Dazu können alle ihre Meinung äussern im ‚Freudenberger College‘, einer Diskussions- und Denkfabrik, die in leerstehenden Büros im Zentrumsgebäude eingerichtet ist. Es ist zu hoffen, dass sich viele QuartierbewohnerInnen bewegen lassen, sich einbringen und dazu beitragen dass die Verkehrswüste dereinst tatsächlich mit Freude und Platz assoziiert statt als Angstraum wahrgenommen werden kann.