In den letzten 24 Jahren hat die RotGrünMitte-Mehrheit viel dazu beigetragen, dass die Wohn- und Lebensqualität in Bern sehr hoch ist. Es lebt sich gut in Bern, aber es bleibt doch noch viel zu tun – etwa im Bereich bezahlbares Wohnen. Heute entscheidet das Glück, ob eine Familie in Bern bezahlbaren Wohnraum findet. Das ist unsozial und muss sich ändern. Die Lancierung einer Wohn-Offensive ist die grosse Herausforderung der nächsten Legislatur.
Es muss mehr gebaut werden. Im Wohnungsbereich brauchen wir Wachstum, auch als wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Es macht Sinn, wenn mehr Menschen in Städten leben. Hier besteht Infrastruktur für viele und Wohnen und Arbeiten können nah beieinander liegen. Doch mit mehr Wohnungen allein können wir uns nicht zufrieden geben. Soll die Wohn-Offensive auch sozial erfolgreich sein, müssen die gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften eine zentrale Rolle übernehmen. Und auch die Stadt selber kann mehr Wohnungen bauen.
Der erste Boom für gemeinnützigen Wohnungsbau
Gemeinnützige Wohnungen sind in Bern dünn gesät. Heute gehören gerade einmal 7‘850 Wohnungen gemeinnützigen Trägerschaften. Das sind rund 10 Prozent aller Wohnungen in Bern. 2000 weitere gehören der Stadt.
Der grosse Boom des gemeinnützigen Wohnungsbaus liegt weit zurück. Mit der Wohnungsnot Mitte des letzten Jahrhunderts und der Stadterweiterung nach Westen entstanden genossenschaftliche Pioniersiedlungen wie beispielsweise das Tscharnergut. Dann ist jahrzehntelang nicht mehr viel passiert.
Hat der zweite Boom bereits begonnen?
Dass die gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften die Zukunft sind, wurde politisch erkannt. Mit dem klaren Ja (72%) zur Wohn-Initiative hat die Berner Bevölkerung 2014 deutlich gezeigt, dass sie diesen Weg gehen will. Die Initiative fordert, dass bei Um- und Neueinzonungen von Wohnflächen sichergestellt wird, dass mindestens ein Drittel der Wohnnutzungen mit preisgünstigen Wohnungen gebaut oder an gemeinnützige Wohnbauträger abgegeben wird und in Kostenmiete zu vermieten sind. Leider ist die Umsetzung der Initiative durch eine Beschwerde des Hauseigentümerverbands (HEV) derzeit noch blockiert. Dennoch schlägt sich diese politische Neuausrichtung bereits in der Planung der aktuellen Wohnbauprojekte Warmbächliweg und Viererfeld nieder. Es sind die ersten Projekte, die zu 100 beziehungsweise zu 50 Prozent für den gemeinnützigen Wohnungsbau vorgesehen sind.
Herausforderungen für Stadt und Gemeinnützige
Solche Projekte bieten uns grosse Chancen für den sozialen und ökologischen Wohnungsbau. Weil Bern aber nicht wie Zürich auf eine verankerte Tradition des gemeinnützigen Wohnungsbaus aufbauen kann, betreten alle Seiten Neuland.
Die Stadt muss bei Planungen innovative Lösungen suchen. Die Bevölkerung will bei der Stadtentwicklung, zum Beispiel im Viererfeld, heute stärker einbezogen werden als vor zwanzig Jahren, und das ist gut so. Die Stadt muss ihre Arbeitsweise diesem Bedürfnis anpassen. Innovative Verfahren sind zu entwickeln: zum Beispiel öffentliche Wettbewerbe unter Einbezug der Bevölkerung oder Wettbewerbe ausschliesslich für junge Planerinnen und Planer. Vor allem aber muss die Stadt bereit sein, Verantwortung an Gemeinnützige abzugeben und sich auf Rahmenbedingungen und städtebauliche Kernanliegen zu beschränken. Beispiel dafür könnte die Alte Feuerwehrkaserne Viktoria mit ihrer aktiven und ins Quartier integrierten Zwischennutzung werden. Hier besteht das grösste Know-How für die weitere Arealentwicklung bei den Beteiligten vor Ort. Nur so kommen wir künftig auch mit dem nötigen Tempo voran.
Die Gemeinnützigen werden stark gefordert aufgrund der bevorstehenden grossen Neubauprojekte. Das eröffnet Möglichkeiten für bedeutende Investitionen. Da ist Mut gefragt, um Neues zu wagen und zum Beispiel neue Wohnformen zu ermöglichen: Die Lebensformen werden vielfältiger, Patchwork-Familien etc. haben spezielle Bedürfnisse an den Wohnraum. Aber auch Menschen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt benachteiligt sind, brauchen Wohnraum. Kinderreiche Familien benötigen grosse, bezahlbare Wohnungen. Ältere Menschen brauchen bezahlbare, hindernisfreie Wohnungen. Diese werden von gewinnorientierten Trägerschaften kaum gebaut.
Letztlich geht es also um «Mehr als Wohnen» für Bern. Eigentlich wäre das Gaswerk-Areal ein geeigneter Ort, um den gemeinnützigen Wohnbauträgern mitten in Bern ein Leuchtturm-Projekt des innovativen Wohnbaus zu ermöglichen. Gemeinnützige können für die Gesellschaft und das Gemeinwohl mehr leisten als konventionelle Investoren.
Innovative und soziale Wohnstadt Bern
Im wahrsten Sinne des Wortes stehen wir hier vor einer grossen Baustelle. Am wichtigsten scheinen mir folgende drei Punkte:
• Menschen im Zentrum: Im Zentrum jeder Planung und jedes Wohngebäudes sollen immer die Menschen stehen, die darin leben werden. Deshalb müssen wir lebensfreundliche Umgebungen und wohnliche Quartiere schaffen, in denen Kontakte und Nachbarschaft stattfinden können.
• Neue Lösungen suchen: Die Wohnformen sind vielfältiger geworden, die Gesellschaft entwickelt sich rasant weiter in Richtung flexibleres Wohnen. Viele Menschen sind auf günstigen Wohnraum angewiesen, damit Bern eine Wohnstadt für alle bleibt. Innovative Ideen für den Wohnungsbau sind gefragt.
• Die Zukunft gemeinsam gestalten: Die Bevölkerung und die Gemeinnützigen wollen und sollen bei der Entwicklung und Planung einer neuen Siedlung oder eines Quartiers von Beginn an mitbestimmen können. So erhalten wir Bern als attraktive Wohnstadt, mit der sich die Menschen identifizieren und in der sie gerne zuhause sind.
Pioniergeist, innovative Lösungen und eine konstruktive und gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt und den Gemeinnützigen sind künftig noch wichtiger. Ich möchte als erste Stadtpräsidentin Berns diese Entwicklung und Zusammenarbeit mitgestalten und unsere Stadt gemeinsam vorwärts bringen.