Wer beim Thema Rausch zuerst einmal an Alkohol und Drogen denkt, der erlebt in der Ausstellung gleich zu Beginn eine Überraschung. Taucher, Astronauten, Mönche, Liebespaare, Biker, Gebärende, (Gottes-)Krieger, Sportler, Gamer, Konzertbesucher, Fallschirmspringer, Kinder auf einer Schaukel und viele Berauschte mehr sind in einer wilden, mit sphärischen Klängen unterlegten Bildcollage zu sehen. Die meisten von ihnen in Nahaufnahme mit verklärtem Blick: Berauscht vom Moment, verloren, abgehoben, in einer anderen Welt.
Ja, Rausch heisst nicht nur Vernebelung der Sinne durch Drogen. Berauscht ist der Mensch seit jeher durch mannigfaltige Erlebnisse, durch Mutproben, die Liebe, Spiritualität, Kunst, Religion… Bewusst oder unbewusst erleben und geniessen wir diesen Zustand, können aber auch süchtig danach werden. Dies eine der Erkenntnisse, welche die multimediale Ausstellung vermitteln will. Rausch wird gleich zu Beginn der Ausstellung definiert, und zwar allgemein, medizinisch, (neuro)biologisch, psychologisch, rechtlich, kulturwissenschaftlich und ethisch.
«Rausch» habe auch eine stark historische Seite, so Museumsdirektor Thomas Pauli-Gabi, deshalb habe das Museum das Thema gerne und bewusst gewählt und auch gleich zum Jahresthema gemacht. Und doch: das Thema soll mit dem Hier und Heute verknüpft sein. «Weil es uns alle betrifft.» Es gibt in den nächsten Monaten diverse Rahmenveranstaltungen, Aufführungen, Konzerte, Diskussionen. Herzstück jedoch ist die Ausstellung im Kubus.
Gemeinsam mit dem Berner Kammerorchester und dem Berner Schriftsteller Pedro Lenz lässt das Bernische Historische Museum das Fokusthema Ende Januar mit musikalischen und poetischen Interventionen erklingen. Ebenso steht die diesjährige Ausgabe des Formats «Museumsbier» von Januar bis März im Zeichen von Rausch – sie lädt nicht nur zum «Fyrabebier», sondern auch zu kurzen Inputs von Kurator*innen.
Ab Ende März wird die erfolgreiche Veranstaltungsreihe «Ein Abend im Museum» weitergeführt. In Zusammenarbeit mit Fachleuten und lebenserfahrenen Personen finden an sieben Mittwochabenden Vorträge und Diskussionsrunden statt.
Jugendliche und Jugendgruppen sind an ausgewählten Freitagabenden während der
«Rush Hour» eingeladen, bis 21 Uhr die Ausstellung zu besuchen und dabei mit Peers und Expert*innen ins Gespräch zu kommen.
Sich persönlich ins Thema zu vertiefen, ist auch während des Ausstellungsbesuchs möglich: Bei den Couch-Gesprächen können die Besucher*innen jeden Donnerstagnachmittag vom Wissen ausgewiesener Fachpersonen profitieren.
Jugendliche Mitgestalter*innen
Gestaltet wurde diese Ausstellung durch Simon Haller vom Berner Expoforum, mitgearbeitet und mitgeplant haben Jugendliche des nahen Gymnasiums Kirchenfeld. Und begleitet, beraten und unterstützt wurden alle von Musikern, Filmern und von 40 Fachleuten aus der Wissenschaft. «Eines war uns vor allem wichtig,» betonte Projektleiter Simon Haller, selber Vater von jungen Erwachsenen, «die Ausstellung soll nicht moralisieren und sie soll Jugendliche ansprechen und von ihnen verstanden werden.»
Bewusst gefödert wurde dies durch die Mitarbeit von Schüler*innen des nahen Gymnasiums Kirchenfeld. Gymnasiast*innen mit Schwerpunktfach bildnerisches Gestalten haben die Ausstellungsmacher*innen während der ganzen Vorbereitungszeit begleitet, wöchentlich an den Sitzungen teilgenommen und die erwachsenen Gestalter*innen immer wieder daran erinnert, dass Jugendliche manchmal ganz anders denken und ticken.
Auf die Frage, wie sie durch die Ausstellung geführt werden möchten, haben die Jugendlichen beispielsweise die älteren Macher*innen verblüfft: «Sicher nicht mit dem Handy», haben sie mehrheitlich geantwortet, «wir wollen im Museum Informationen, aber auch ein echtes sinnliches Erlebnis bekommen.»
Für Sophie Roux und Giulia von Erlach, zwei Schülerinnen aus dem so genannten Jugend Soundboard, war die Mitarbeit bei der Ausstellungsgestaltung aber auch ein Lernprozess mit Nachwirkung. «Wir schauen uns jetzt Ausstellungen ganz anders an», sagen sie.
Ein Beispiel, wie die Sicht der Jungen eingeflossen ist, bietet beispielsweise der ursprünglich von den Erwachsenen angedachte «Raum der Stille». Anstelle von gemütlichen Plüschsofas in abgedunkelter Atmosphäre wünschten sich die Jungen einen coolen «Pausenraum». Dieser ist jetzt, markiert mit dem aus der elektronischen Welt bekannten Pausenzeichen, hell und asketisch weiss gehalten mit einigen Hängematten und Hockern möbliert. Für Erwachsene sieht er eher nach Zenbuddhismus aus, für Junge ist es offenbar der ideale Pausenraum zum Chillen.
LSD-Trip auf dem Velo
Sieben einzelne Erlebnisräume ermöglichen unterschiedliche Zugänge zum Thema. Die Texte an den einzelnen Stationen wurden alle von den jugendlichen Mitgestalter*innen gegengelesen und auf ihre Verständlichkeit geprüft. Wichtig sei den Jungen vor allem gewesen, dass man auf Slangwörter verzichtet habe, sagen Sophie Roux und Giulia von Erlach.
Die Ausstellung, die übrigens vom Tabakpräventionsfonds und vom Bundesamt für Gesundheit finanziell unterstützt wird, zeigt nebst einem Kurzfilm zum Thema «Das Tier in mir» auch ein historisches Kabinett mit alten und neuen Gegenständen rund um das Thema Rausch und Ekstase.
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Ein Raum ist ganz dem berühmtesten Schweizer auf dem Gebiet der psychoaktiven Substanzen gewidmet: Albert Hofmann, der Erfinder von LSD. Hier können alle, pedallend auf einem Klapper-Velo, erfahren, wie sich LSD auf die eigene Wahrnehmung auswirkt. Auf einem Bildschirm vor dem Lenkrad erscheinen die Häuser am Rand der Strasse zunehmend verzerrt, bekommen fliessende, farbig schillernde Konturen, verkleinern und vergrössern sich und enden schliesslich in einem verwirrend schönen Kaleidoskop aus Farben und Formen.
Das Museum sei ein idealer Ort, das vielschichtige Thema «Rausch, Extase, Rush» darzustellen, sagt Simon Haller, weil Museumsräume Orte der ungeteilten Aufmerksamkeit seien. Und last but not least sei der Kubus des Historischen Museums «der beste Ausstellungsraum in Europa, vielleicht sogar weltweit.»