Begegnungen, die das Herz erwärmen

von Basrie Sakiri-Murati 6. August 2024

Kolumne  «Kosovos Botschafter spricht Mundart» – diese Schlagzeile in der Zeitung hat unsere Kolumnistin elektrisiert. Und an eine Begegnung vor Jahren erinnert.

Es fühlte sich an wie ein warmer Sonnenstrahl, als ich las, dass Mentor Latifi neuer Botschafter Kosovos in der Schweiz ist, und perfekt Schweizerdeutsch spricht. Den Namen Latifi kannte ich von Kaltërina Latifi, der Literaturwissenschaftlerin, deren Essays ich regelmässig im Magazin lese. Latifi erinnerte mich aber auch an einen Professor, den ich 1989 in der Schweiz traf. Aber Mentor Latifi? Gespannt las ich weiter.

Mentor Latifi – so erfuhr ich im Artikel – kam 1991 mit 17 Jahren als Flüchtling in die Schweiz und integrierte sich hier schnell – nicht zuletzt dank einem Rektor, der an ihn glaubte. Er äusserte sich positiv über unser Schulsystem. Nach seinen Studien in der Schweiz kehrte er in seine Heimat zurück.

Wenn mich in dieser Zeit jemand nach meiner Herkunft fragte, freute mich das meistens nicht

Sein Vater, Shaip Latifi, war tatsächlich der Professor, den ich 1989 kennengelernt hatte. Er war im Kosovo im Gefängnis gewesen und wurde von der serbischen Regierung verfolgt. Mentor und seine zwei Schwestern kamen erst zwei Jahre nach ihrem Vater in die Schweiz. Mentor erzählte im Artikel auch von den Vorurteilen, die er damals als junger Kosovare in der Schweiz erlebt hatte. Das kam mir bekannt vor. Wenn mich in dieser Zeit jemand nach meiner Herkunft fragte, freute mich das meistens nicht. Denn ich wusste: Nicht alle reagieren positiv.

Blitzartig dachte ich aber wieder an diesen liebenswürdigen Professor Latifi, den ich bei Landesleuten in Luzern getroffen hatte. Es war kurz nach meiner Flucht in die Schweiz. Er war äusserst beunruhigt über seine Familie, die er zurückgelassen hatte und über die unsichere und dramatische Lage im Kosovo. Er machte sich grosse Sorgen über die Zukunft unseres Landes. Ich erinnere mich gut daran, wie er mich auf mein Alter ansprach. Ich war die jüngste unter den Aktivisten und den Geflüchteten. Er war fürsorglich und litt mit mir. Leider wurden wir danach in verschiedene Kantone verteilt, so dass ich diesen eindrucksvollen Menschen aus den Augen verlor.

Immer öfter treffe ich junge Secondos aus meiner Heimat in verschiedensten Berufen und Positionen an

Aber wenn ich heute das Foto seines Sohnes sehe, glaube ich ihn wieder vor mir zu sehen. Mentor Latifi strahlt eine ähnliche Gelassenheit aus wie sein Vater. Seine Kenntnisse der hiesigen Sprache und der Kultur, werden ihm als Botschafter wichtige Ressourcen sein. Und noch viel schöner finde ich, dass er kosovarische Künstlerinnen und Künstler in die Schweiz einladen will, um hier unsere Kultur sichtbarer zu machen.

Noch etwas: Kürzlich war ich zum Übersetzen im Kanton Freiburg. Es stellte sich heraus, dass der Anwalt, dessen Klient ich übersetzen sollte, albanischer Abstammung war und neben Deutsch auch sehr gut albanisch sprach. Ich fand es grossartig, wie der junge Anwalt die Verhandlung selbstverständlich perfekt in zwei Sprachen führte.

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Immer öfter treffe ich junge Secondos aus meiner Heimat in verschiedensten Berufen und Positionen an. Sie haben die warme Ausstrahlung aus der Heimat nicht verloren, haben sich hier gut integriert und verantwortungsvolle Aufgaben übernommen.

Ob sich die Menschen hier vorstellen können, wie herzerwärmend solche Begegnungen für mich sind?