Maschinen rattern, Steine krachen, Lastwagen, Bagger und Kräne dröhnen: Die Sanierung der Marktgasse ist im Gang – und das hört man von nah und fern. Lärmemissionen haben gesundheitliche Auswirkungen auf Körper und Geist. Jedes Geräusch versetzt den Körper in Alarmbereitschaft. Stresshormone werden ausgeschüttet, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt und die Atemfrequenz nimmt zu.
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO machen die Umweltrisiken, zu denen Lärm gehört, fast ein Viertel der Gesundheitsbelastung aus. Die Studie «Lärmbelastung in der Schweiz» des Bundesamts für Umwelt zeigt: 1,68 Millionen Menschen oder 23 Prozent der Gesamtbevölkerung sind in der Schweiz tagsüber problematischen Lärmimmissionen aus dem Strassenverkehr belästigt, 13 Prozent sind nachts im Schlaf gestört. Rund 670 000 Arbeitsplätze sind tagsüber von erheblichem Strassenverkehrslärm belastet. Ein Grossteil der übermässigen Lärmbelastung spielt sich in den Städten und Agglomerationen ab.
Menschen, die ununterbrochen Lärm ausgesetzt sind, haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber auch Nervosität und Aggressivität, Konzentrationsstörungen und beeinträchtigtes Leistungsvermögen zählen zu den gesundheitsbelastenden Wirkungen von Lärm.
Die Einstellung bestimmt mit, ob der Lärm stört
«Jede Belästigung durch Lärm hat eine körperliche und psychische Wirkung auf den Menschen», sagt Mark Brink, Privatdozent am Departement Umweltsystemwissenschaften an der ETH Zürich.
«Jede Belästigung durch Lärm hat eine körperliche und psychische Wirkung auf den Menschen»
Mark Brink, Dozent am Departement Umweltsystemwissenschaften an der ETH Zürich
Brink setzt setzt sich mit Umwelteinflüssen auf die menschliche Psyche auseinander und weiss, dass die Einstellung gegenüber der Lärmquelle einen erheblichen Einfluss darauf hat, ob man deren Lärmemissionen als störend empfindet oder nicht. «Wir haben zum Beispiel herausgefunden, dass Menschen mit einer negativen Einstellung gegenüber Kirchenglocken eher von Kirchenglockengeläut aufgeweckt werden.» Auch fühlten sich Hausbesitzerinnen und -besitzer durch den gleichen Lärm eher belästigt als Mieterinnen und Mieter, weil der Lärm eine Wertverminderung des Wohneigentums bedeutet.
Die Lärmempfindlichkeit ist zudem bei jedem Menschen anders. Es gibt keinen allgemein gültigen Zusammenhang zwischen der Stärke der Lärmbelastung und der empfundenen Lärmbelästigung. «Während sich die einen durch starke Lautstärken kaum stören lassen, springen andere schon Mal bei leisen Geräuschen auf die Palme», sagt Brink.
Bauarbeiten auch nachts und sonntags
Nach Luftverschmutzung und Passivrauchen kommt der Verkehrslärm an dritter Stelle der gesundheitsbelastenden Umweltfaktoren. Schlafstörungen als Folge von Lärmeinwirkungen haben dabei die gravierendsten Auswirkungen. Nächtlicher Lärm kann nicht nur unnötiges Aufwachen bewirken. Er beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit am nächsten Tag und wirkt sich, langfristig einwirkend, negativ auf die mentale und körperliche Gesundheit aus.
«Es existiert die Hypothese, dass einzelne Lärmereignisse Auslöser für Herzinfarkte sein können»
Mark Brink, Dozent am Departement Umweltsystemwissenschaften an der ETH Zürich
«Gerade im Schlaf sind wir besonders empfindlich», bestätigt Brink. Lärmemissionen bewirken Stressreaktionen, man schreckt aus dem Schlaf auf. «Es existiert die Hypothese, dass einzelne Lärmereignisse Auslöser für Herzinfarkte sein können», sagt Brink. Das vom Lärm ausgehende Risiko für Herzkreislauferkrankungen sei aber relativ: «Es gibt viele weitere Faktoren wie Ernährung, Luftqualität und erbliche Vorbelastung, die einen viel grösseren Einfluss auf die Gesundheit ausüben.»
Während der Intensivbauphase vom 8. April bis Mitte September wird von Montag bis und mit Samstag jeweils von 6 Uhr morgens bis um Mitternacht gearbeitet. Weniger lärmige Arbeiten wie Fahrleitungsarbeiten, Schweissen und Gleisrichten würden auch nachts oder am Sonntag ausgeführt, wie Stadtingenieur Hans-Peter Wyss anlässlich einer Medienorientierung erklärte.
«Dem Lärm keine Bedeutung beimessen»
Während dieser «Nervenprobe» rät Brink den Betroffenen in der Marktgasse, den Anwohnerinnen und Anwohner in den obersten Stockwerken, aber auch den Arbeitenden in den Läden, zu Gelassenheit. «Je weniger man daran denkt, desto einfacher fällt es einem, den Lärm nicht mehr wahrzunehmen.» Auf keinen Fall solle man den Baustellenklang mit negativer Bedeutung aufladen, denn «eine zu starke Fokussierung auf ein Problem verstärkt dieses nur».
«Eine zu starke Fokussierung auf ein Problem verstärkt dieses nur»
Mark Brink, Dozent am Departement Umweltsystemwissenschaften an der ETH Zürich
Besser ist es, seine Stressbewältigungsfähigkeit zu fördern und zum Beispiel systematisch verschiedene Strategien im Umgang mit dem Lärm auszuprobieren. «Leute kommen in Stress, weil sie denken, sie hätten keine Kontrolle über die Situation mehr», erklärt Brink. «Das Gefühl, dass man mehrere Ansätze ausprobieren und den besten anwenden kann, ist ebenso hilfreich wie der Versuch, eine positive Einstellung gegenüber der Lärmquelle zu entwickeln».
Dann reagiert der Körper zwar nach wie vor auf den Lärm, das Stressempfinden ist aber weniger intensiv. Letztlich ist die Lärmbelastung durch die Baustelle zeitlich begrenzt, was es den Lärmgeprüften leichter machen wird: «Die Aussicht, dass es irgendwann auch wieder aufhört, sollte es insgesamt erträglicher machen», so Brink.