Von einer «leichten Anpassung der Versorgungsgebiete» ist in der Medienmitteilung des Bundesrates die Rede, mit welcher die Vernehmlassung zur Neukonzessionierung der Schweizer Lokalradios und der Regionalfernsehen angekündigt wird. Das ist für einmal ziemlich untertrieben. Der Bundesrat will nämlich deutlich mehr: Er zielt auf bessere und vielfältigere Informationssendungen auf lokaler Ebene und damit auf eine Stärkung des lokalen Service public.
Zwar müssen konzessionierte Lokalradios schon nach geltender Konzession täglich mindestens 30 Minuten lokale Nachrichten aus ihrer Region verbreiten. Bei regionalen Fernsehsendern sind es wöchentlich mindestens zweieinhalb Stunden. Diese Vorgaben werden aber von vielen kommerziellen Lokalradios bei weitem nicht eingehalten. Aus diesem Grunde hat das BAKOM vor kurzem gegen zwei Fernseh- und zehn Lokalradioveranstalter, darunter Telebärn und Radio Energy Bern, Aufsichtsverfahren eingeleitet (Journal B berichtete). Nun will es den Missstand aber offenbar grundsätzlicher angehen.
Neue Versorgungsgebiete und Gelder aus der Haushaltabgabe
Gemäss dem Vorschlag des Bundesrates werden die bisherigen 41 Konzessionen für Lokal- oder Regionalradios auf 30 reduziert. Dabei werden 20 Versorgungsgebiete für kommerzielle Lokalradios und 10 für komplementäre, nicht gewinnorientierte Lokalradios ausgeschieden. Alle diese Radios werden per Leistungsauftrag verpflichtet, in einem Teil ihres Programms einen lokalen Service public zu erbringen. Als Gegenleistung erhalten sie einen Anteil aus dem Ertrag der Radio- und Fernsehabgabe.
Was auf den ersten Blick als Einschränkung der Radiovielfalt aussieht, ist in Wirklichkeit eine Erweiterung. Bisher hatten nämlich nur 12 kommerzielle Lokalradios Gelder aus dieser Abgabe erhalten und ausserdem 9 Komplementärradios. Es sollen also in Zukunft 8 zusätzliche Kommerzradios und ein zusätzliches Komplementärradio (für die Agglomeration Lugano) solche Subventionen erhalten. Gleichzeitig sollen diese Stationen verpflichtet werden, auf lokaler Ebene ein Minimum an Informationsvielfalt sicherzustellen. Unternehmen wie beispielsweise Cablecom, welche fremde Radio- oder Fernsehprogramme weiterverbreiten, sind verpflichtet, diese konzessionierten Programme im ganzen jeweiligen Sendegebiet privilegiert aufzuschalten.
Die übrigen Lokalradios, die keine Konzession mehr erhalten, müssen deswegen ihren Betrieb nicht einstellen. Sie können unverändert weitersenden, allerdings nicht mehr über UKW, sondern ausschliesslich über DAB+. Sie werden keinen Leistungsauftrag mehr haben, aber auch keine Subventionen erhalten. Schon heute sind in der Schweiz laut BAKOM 211 Radioprogramme gemeldet, die ohne Konzession senden und die vorwiegend Musik verbreiten. Es ist also davon auszugehen, dass es nach der Neukonzessionierung nicht weniger, sondern mehr Lokalradiostationen geben wird als heute, dass aber lokale Nachrichten nur noch auf wenigen Stationen zu finden sein werden.
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Für den Medienplatz Bern wurde dies wohl bedeuten, dass Radio RaBe und Radio Bern 1 auch nach der Neukonzessionierung mehr oder weniger in der bisherigen Form weitersenden würden. Es könnte allerdings sein, dass Radio Bern 1 sein Programm hinsichtlich der Lokalinformation etwas anpassen muss, um dem zukünftigen Leistungsauftrag zu genügen. Radio Energy Bern wird wohl ebenfalls weiterlaufen, seine ohnehin nur sehr rudimentäre Berichterstattung über lokale Ereignisse aber noch weiter reduzieren oder ganz einstellen. Dass auch noch weitere Veranstalter den Sendebetrieb aufnehmen, ist zwar nicht ganz auszuschliessen, aber auch nicht sehr wahrscheinlich.
Keine Änderungen sind für den Bereich des Regionalfernsehens vorgesehen. Auch die bestehenden Stationen in Bern und Biel werden daher wohl unverändert weitersenden.
Beitrag zur lokalen Medienvielfalt
Die Pläne des Bundesrates sind ein offensichtlicher Versuch, mit Hilfe der elektronischen Medien eine Stärkung der Medienvielfalt auf der lokalen Ebene zu erreichen. Da die Lokal- und Regionalpresse vielerorts ums nackte Überleben kämpft oder bereits in überregionalen Monopolblättern aufgegangen ist, soll im Bereich des Lokalradios und des Regionalfernsehens eine gegenläufige Entwicklung gefördert werden. Ob es gelingt, wird sich weisen. Dass es im Hinblick auf die kommunale und kantonale Demokratie von grosser Bedeutung sein könnte, liegt auf der Hand.
Noch ist die Sache aber nicht entschieden. Der Bundesrat führt nun vorerst ein Vernehmlassungsverfahren durch, welches bis zum 9. Dezember dieses Jahres dauert. Aufgrund der Ergebnisse werden die neuen Versorgungsgebiete definitiv festgelegt werden. Die Konzessionen sollen Anfang 2023 ausgeschrieben werden und auf Anfang 2025 in Kraft treten.