Aus Stephanie Gräves Berner Arbeitsbuch – Folge 4

von Stephanie Gräve 17. September 2016

Stephanie Gräve war 2015/16 Schauspieldirektorin am Stadttheater Bern. Journal B bringt in vier Folgen Auszüge aus ihrem Arbeitsbuch über jene Zeit. Heute die letzte Folge.

Anfang Januar 2016, mit Richard Maxwell in New York

Maxwell ist mitten in Proben, als ich ihn in New York besuche. Er lädt mich ein, den ersten Ablauf des Stücks zu sehen. Geschrieben hat es eine noch unbekannte Autorin, Maxwells Company NYCPlayers hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Dramatiker zu fördern. Eher selten inszeniert er selbst die neuen Texte, meist bringt er eigene Stücke zur Aufführung. Sein spröder, eigenwilliger Regiestil ist eng verbunden mit seinem Schreiben, seinem Rhythmus, seiner eigenen Musik.

In der amerikanischen Off-Szene zählt Maxwell zu den wichtigsten künstlerischen Stimmen, in Europa kennt man ihn vor allem in der Festivalszene, dort aber sehr gut: Er war eigentlich bei allen grossen Festivals zu Gast. Eine New Yorker Ikone wie ihn mit seiner Truppe ans Stadttheater einzuladen, ist Herausforderung und Bereicherung. Und beschert feuilletonistische Aufmerksamkeit.

An diesem Nachmittag sitzen wir lang mit der jungen Autorin zusammen. Richard weist auf rhythmische Probleme hin, auf eine inhaltliche Unklarheit. Ich bin wieder einmal beeindruckt von seinem Sprachgefühl. Text ist letztlich Musik für ihn, jedes Komma, jeder Gedankenstrich muss auf der Bühne zu spüren sein.

Später reden wir über unser gemeinsames Projekt für Januar 17. Wir planen für Bern die Neuinszenierung eines zehn Jahre alten Stücks von ihm, eine Art minimalistischer Western mit viel Musik, mit einer gemischten Besetzung aus Amerikanern und Ensemblemitgliedern. Ich glaube in der Kunst an die Kraft solcher internationalen Begegnungen, Begegnungen verschiedener Denk- und Arbeitsweisen, verschiedener Auffassungen von Theater. Sie sind immens wichtig, wenn wir uns künstlerisch weiterentwickeln wollen. Und das – neben anderem – ist ja unsere Aufgabe.