«Auf einmal standen sie vor einem riesengrossen Käfer»

von Evelyne Oechslin 13. April 2013

Einmal im Monat sind sie ein kriegerischer Elf, ein Jahrhunderte alter Steinmensch oder ein Waffen schmiedender Zwerg. Pen-and-Paper-Abenteurer streifen durch fremde Welten, kämpfen gegen Dämonen und das ganz ohne Computer.

Pen and Paper, das sind Rollenspiele ganz ohne Computer. Die Spielleiterin Iris Aleit setzt einen bestimmten Handlungsrahmen, in dem kriegerische Elfen, Steinmenschen und Dämonen aufeinandertreffen. Die Geschichte entwickelt sich komplett im Kopf. Iris Aleit ist Illustratorin und bringt hin und wieder eine im Pen-and-Paper-Spiel erlebte Szene zu Papier. Wie zum Beispiel das Bild des Zwergen Rekandar, der sich einem Dämonen in Form einer leuchtenden Qualle stellt.

«Das war in meiner Online-Runde mit Headset und Würfelprogramm ein sehr epischer Moment, da Rekandar sozusagen fast ‚Last man standing‘ war und der Rest der Gruppe so gut wie hinüber. Da hat er sich ganz heroisch dem Biest entgegen gestellt und so schlussendlich auch den Dämon erledigt und das alte Grab der Trolle von dessem Einfluss befreit.»

Zwar spielt die freischaffende Illustratorin regelmässig mit eigenen Charakteren Rollenspiele, Spiele zu leiten findet sie aber ebenso reizvoll. «Als Spielleiterin haucht man nämlich nicht nur einem, sondern ganz vielen Charakteren Leben ein», erklärt sie. «Man ist dann Händler, Gastwirt oder auch Kontrahent der Spielergruppe». Als Kennerin der Welt, in der das Szenario spielt, weiss sie, wo die Handelszentren sind, welche Völker wo hausen, welche Sprache gesprochen wird. Welche Gewässer die Ländereien teilen und führt die Gruppe durch das Abenteuer. «Wer gerne Geschichten erfindet, kann seiner Fantasie freien Lauf lassen und eine ganze eigene Welt erfinden», sagt Aleit.

«In der Schweiz sind die Spielenden nicht so kollektiv organisiert»

Iris Aleit, Pen-and-Paper-Spielleiterin

Im Gegensatz zu Deutschland sei es in der Schweiz nicht einfach, eine Gruppe zu finden, der man sich anschliessen könnte. So muss sich die Spielersuche aus Deutschland auch den Schweizer Spielerinnen und Spielern annehmen. «In der Schweiz sind die Spielenden nicht so kollektiv organisiert», weiss Aleit. Vielen ist diese Form des Spiels unbekannt oder gar fremd: «Oft wird gedacht, das sei etwas für Kinder oder arbeitslose Erwachsene», so Aleit. «Dabei kenne ich Anwälte, Ärzte und viele Lehrer, die Pen-and-Paper-Spiele spielen.»

Auch in Bern gibt es einige Pen-and-Paper-Fans, die sich regelmässig treffen, um gemeinsam neue Abenteuer zu bestreiten, weiss Cyril Bucher vom Drachenäscht. Der Spieleladen organisierte früher selber Rollenspiele-Treffs, die Nachfrage ist aber gesunken. «Die Spieler haben sich inzwischen zu Gruppen formiert und spielen nun zuhause.» Besonders beliebt bei Berner Spielerinnen und Spielern (wie im gesamten deutschsprachigen Raum) ist «Das Schwarze Auge». Das 30 Jahre alte, beliebte System umfasst heute rund 300 Bücher und führt seine Gefolgschaften vorbei an finsteren Kreaturen und mächtigen Drachen und Gefahren zu Ruhm und Reichtum. Ebenfalls beliebt sind die Rollenspiele «Shadow Run» und das auf den amerikanischen Autor H. P. Lovecraft zurückgehende «Call od Cthulhu»

«Ich kenne Anwälte, Ärzte und viele Lehrer, die Pen-and-Paper-Spiele spielen.»

Iris Aleit, Pen-and-Paper-Spielleiterin

Auch das bekannte «Dungeons and Dragons» wird gerne gespielt. Wer einmal mitspielen möchte, kann dies online tun, an ein öffentliches Treffen von «Dice and Slay», dem Schweizer Rollenspiel-Magazin, gehen oder ganz seine Suchanfrage auf ein «Paper» schreiben, «wir hängen es an unsere Pinwand im Laden», verspricht Bucher.

Evelyne Oechslin war einen Abend lang mit ihnen unterwegs, mit dem Waffen schmiedenden Zwerg und dem Bogen schiessenden Echsenmensch, mit dem Jahrhunderte alten Steinmensch und dem Elfen-Elementarmagier, den Mitgliedern einer Gruppe, die sich regelmässig treffen, um Pen-and-Paper-Rollenspiele zu spielen. Hören Sie hier ihre Reportage: