Der Weltraum fasziniert und begeistert Menschen schon seit jeher. Bereits Philosophen in der griechischen Antike dachten und schrieben darüber, was sich ausserhalb der Welt abspielt. Die ESA-Mission Juice trägt zur Beanwortung dieser Frage bei.
Dr. Audrey Vorburger arbeitet als Physikerin und Planetologin am Physikalischen Institut der Universität Bern. Sie befasst sich hauptsächlich mit den Eismonden der Gasplaneten in unserem Sonnensystem. Durch Simulationen und massenspektrometrische Messungen erforscht sie deren Beschaff enheit, um mehr über den Ursprung unseres Sonnensystems und die Möglichkeit von Leben abseits der Erde zu erfahren. Audrey Vorburger ist wissenschaftliche Leiterin des Massenspektrometers NIM an Bord der Juice-Mission und ist darüber hinaus an verschiedensten Weltraummissionen beteiligt.
Was versuchen Sie herauszufinden?
Audrey Vorburger: Wir versuchen mit der Juice-Mission – Juice ist kurz für Jupiter Icy Moons Explorer – der europäischen Weltraumorganisation ESA herauszufinden, ob die eisigen Monde des Planeten Jupiter Lebensräume für mögliches Leben abseits der Erde beherbergen. Konkret tun wir das mit einem Set von zehn hochmodernen Instrumenten, worunter sich auch das an der Universität Bern entwickelte und gebaute Massenspektrometer NIM befindet. Die Aufgabe von NIM ist es, die chemische Zusammensetzung der Atmosphären der eisigen Monde von Jupiter zu bestimmen und damit Fragen nachzugehen wie: «Sind alle chemischen Bauteile für Leben gegeben?»
Wieso ist das aus wissenschaftlicher Sicht wichtig?
Die Frage nach Leben abseits der Erde beschäftigt die Menschheit seit Langem. Die Suche hat sich lange auf das innere Sonnensystem, konkret den Planeten Mars, beschränkt. Seit die NASA-Mission Galileo jedoch in den 1990er-Jahren das äussere Sonnensystem besucht hat, wissen wir, dass es auch da draussen Welten gibt, die mögliche Lebensräume beherbergen könnten. Mit der Juice-Mission versuchen wir nun erstmals, dies zu bestätigen und den perfekten Kandidaten für eine Folgemission auszuwählen, mit der dann intensiv und fokussiert auch tatsächlich nach Leben gesucht werden kann.
Was mich an meiner Forschung vor allem fasziniert, ist die Vielfalt an Welten in unserem Sonnensystem
Was für einen Nutzen für die Gesellschaft könnte daraus resultieren?
Bei der Astrophysik handelt es sich wie bei vielen anderen Wissenschaftszweigen um Grundlagenforschung. Wir gehen Fragen nach Ursprüngen und Zusammenhängen, Prozessen und Effekten nach. In diesem Sinn forschen wir um des Wissens willen. Das heisst aber natürlich nicht, dass unsere Forschung keinen direkten Nutzen für die Gesellschaft hat, im Gegenteil! Wie auch die Vision der Universität Bern sagt: «Wissen schafft Wert.» So konstruieren wir im Zusammenhang mit diesen Missionen hochpräzise Messinstrumente, die unter Extrembedingungen funktionieren müssen. Die Wissenschaft und insbesondere die Weltraumforschung motivieren auch viele Jugendliche, sich den MINT-Fächern zuzuwenden, und im Rahmen unserer Projekte werden auch
viele Ingenieurinnen und Ingenieure ausgebildet.
Was fasziniert Sie persönlich an diesem Forschungsprojekt?
Was mich an meiner Forschung vor allem fasziniert, ist die Vielfalt an Welten in unserem Sonnensystem. So befinden sich im inneren Sonnensystem zum Beispiel die terrestrischen Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars, die vor allem aus Gestein und Metall bestehen. Während die Venus eine sehr dichte und heisse Atmosphäre hat, die vor allem aus Kohlendioxid besteht, gibt es auf dem Mars Wasser in Form von gefrorenem Eis. Im äusseren Sonnensystem finden wir dann die Gas- und Eisriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun. Auch diese werden von Monden umkreist, die wiederum kleine Welten
sind. Jupiter zum Beispiel hat den Mond Io, den vulkanisch aktivsten Mond im ganzen Sonnensystem, und Europa, einen Mond, der unter seiner Eiskruste einen Ozean beherbergt, der doppelt so viel Wasser enthält wie alle Meere der Erde zusammen. Und mit Weltraummissionen können wir alle diese Welten vor Ort untersuchen.
Der Schweizer Staat zahlt der ESA jährlich einen bestimmten Mitgliedsbeitrag, der dann in Form von Projekten und Aufträgen an die Schweiz zurückfliesst
Was ist die grösste Herausforderung, die es zu überwinden gilt?
Bei der Juice-Mission gibt es zwei Arten von Herausforderungen: techni-
sche und wissenschaftliche. Die technischen Herausforderungen sind die extremen Umgebungsbedingungen, unter denen die Instrumente einwandfrei funktionieren müssen. Beispielsweise wird Juice bei seinem Vorbeiflug an der Venus, wo die Raumsonde Schwung holt, einer Aussentemperatur von plus 250 Grad Celsius ausgesetzt, während es im Jupiter-System minus 230 Grad Celsius kalt ist. Auch die hohe Strahlung beim Jupiter ist eine grosse Herausforderung, da sie die Instrumente beeinträchtigen kann. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Frage nach Leben abseits der Erde eine hochkomplexe, interdisziplinäre Frage, die wir durch Messungen mit verschiedensten Instrumenten zu beantworten versuchen.
Wie ist das Forschungsprojekt finanziert?
Das Massenspektrometer NIM auf der Juice-Mission wurde – wie die meisten
klassischen Projekte der ESA – direkt durch die ESA gefördert. Der Schweizer Staat zahlt der ESA jährlich einen bestimmten Mitgliedsbeitrag, der dann in Form von Projekten und Aufträgen an die Schweiz zurückfliesst. So war es auch bei NIM. Die ESA hat hier vor allem die technische Entwicklung, also das technische Personal und die Baumaterialien finanziert. 80 Prozent der Aufträge und des Budgets flossen dabei direkt in die Schweizer Industrie. Auf der wissenschaftlichen Seite sowie für das Management von NIM wurden vor allem Stellen durch den Schweizerischen Nationalfonds finanziert.
Dieser Beitrag erschien zuerst beim Berner Landboten.