Das Leitbild hinter Deinem Projekt «Bonsoir Jardin» ist die Kultur als Garten.
Christian Lundsgaard-Hansen:
Ja. Der Hintergedanke bei diesem Bildnis ist, dass Gärten extrem unterschiedlich und trotzdem immer schön sein können. Kultur ist ebenfalls vielfältig und muss in jeder ihrer Erscheinungsformen genügend Raum zugesprochen bekommen.
Was ist Bern für ein Garten?
Bern ist ein schöner, behaglicher Garten. Ich hätte ihn aber gern noch ein bisschen verwilderter. Ich finde es erstaunlich, wie viel kulturelles Angebot wir in Bern haben, gemessen an der kleinen Grösse der Stadt. Was mich aber etwas missmutig stimmt, ist, dass Kultur in Bern überwiegend bürgerlich ist.
Im Sinne von bünzlig?
Nicht gezwungen bünzlig. Ich meine damit mehr, dass es wenig Gegenkultur gibt. Oder zu wenig Raum dafür. Bern hat eigentlich nur die Reitschule als mir bekannten Ort, an dem man zumindest ansatzweise ein Flair von Anti spürt. Alternatives oder auch Gegenkulturelles hat sonst nur wenig Platz. Das Meiste bewegt sich eher im bürgerlichen Rahmen.
Was meinst Du mit bürgerlich? Wo liegt für Dich der Unterschied zwischen – sagen wir – der Reitschule und dem Progr?
«Der Progr in erster Linie ein Ort der Kultur, aber sicher nicht der Gegenkultur»
Christian Lundsgaard-Hansen, Musiker und Initiator von «Bonsoir Jardin»
«Der Progr in erster Linie ein Ort der Kultur, aber sicher nicht der Gegenkultur»
Christian Lundsgaard-Hansen, Musiker und Initiator von «Bonsoir Jardin»
Gute Frage. Für mich ist der Progr in erster Linie ein Haus voll Künstler, die ihrer Arbeit nachgehen und nicht ein Haus mit politischem Programm. Ein Ort der Kultur, aber sicher nicht der Gegenkultur. Jeder kann dort in Ruhe an seiner Kunst arbeiten. Und das ist auch gut so, nur hat das nichts mit Gegenkultur zu tun. Letztere wird bei der Reitschule hingegen gelebt und hochgehalten.
Wo kann man Dich und Dein Projekt «Bonsoir Jardin» auf dieser Definitionsleiste verorten?
Bei «Bonsoir Jardin» geht es mehr um Kultur um Vielfalt, um Unterschiede. Es hat bewusst keine kulturelle Couleur. Jeder ist willkommen, egal aus welcher Szene, aus welchem Genre oder aus welcher kulturellen Praxis. An den Anlässen geht es weder um ‚hipp‘ oder um ‚progressiv‘, auch nicht um ‚konservativ‘ oder ‚elitär‘. Ich glaube, dass durch die Begegnung von Gegensätzlichem oder Unbekanntem Spannendes entstehen kann.
Einen Nachtclub zum Diskussionsort zu machen, ist eine eher ungewöhnliche Wahl.
Es haben mehrere Faktoren zu dieser Entscheidung geführt. Zum einen stecken viele Köpfe hinter dem «Club Bonsoir», welche allesamt meine Vision teilen. Zudem bedient der Club szenepolitisch eine gute Mitte. Es dürfte sich jeder willkommen fühlen, egal ob es ein Stammgast der Reitschule oder des Stadttheaters ist. Ich habe in der Vergangenheit oft miterlebt, dass Podiumsrunden immer wieder im Versteckten stattgefunden haben. Es wurde zwar pro Forma öffentlich eingeladen, aber vor Ort hatte ich immer das Gefühl: eigentlich möchten die ja doch lieber unter sich bleiben.
Aber einen, den man in aller Regel im Nachtleben verortet.
Und jetzt darf man ihn auch als Forum für Diskussionen und Workshops erleben: mit Sofas, entspannter Atmosphäre und interessanten Gästen.
Da liegt die Frage nahe: warum schon wieder diskutieren? Geredet wurde schon viel, wenn es um die Berner Kulturlandschaft geht. Warum nicht lieber konkret handeln?
Es wurde viel diskutiert und viel genörgelt.
«Wir sind eine Art Spielplatz für Ideen.»
Christian Lundsgaard-Hansen, Musiker und Initiator von «Bonsoir Jardin»
Die Jardin-Diskussionen aber sollen inspirieren und aktivieren. Sie sollen dazu dienen, Ideen für eigene Projekte zu gewinnen, aber auch praktische Tipps für ihre Umsetzung zu erhalten. Wir sind ein Treffpunkt für inspirierte und inspirierende Leute, für Leute, die neugierig sind, etwas ausprobieren möchten, Fragen haben. Wir sind eine Art Spielplatz für Ideen. Anstatt nörgeln, sollen die Leute bei Jardin in die Hände spucken und anpacken.
Dem hautnahen Gespräch mit Profis wie Buskers-Veranstalterin Christine Wyss sollen also Taten folgen. Kulturtaten.
Absolut. Wir möchten den Leuten wirklich Mut machen, aber auch das Werkzeug in die Hand geben, sich verwirklichen zu können. Zumindest für die ersten Schritte in eine kulturelle Tätigkeit. Durch die Interaktion während den Diskussionen und Workshops lernt man die Teilnehmenden zudem kennen. Die Leute sollen sich vernetzen können. Und vielleicht findet man beim Jardin genau das Puzzleteil, das einem noch gefehlt hat, damit man endlich durchstarten kann.
Deine Jardin-Philosophie beschreibt drei Zutaten für eine blühende Kultur: Raum, Zeit, Zuwendung. Den Raum haben wir bereits abgehakt, wie sieht es mit der Zuwendung aus. Fehlt diese in Bern?
Wenn damit Förderungsmassnahmen und Subventionen gemeint sind, dann finde ich ganz klar: Nein. Zumindest im musikalischen Bereich, wo ich etwas Erfahrung habe. Es gibt genügend Menschen, die sich für neue Talente einsetzen und ihnen eine Plattform bieten, sei es die offene Bühne im Kairo oder die Talentbühne des Buskers. Ausser beim elektronischen Genre, das bleibt Aussen vor.
Aber Bern, so sagt man, hat eine lebige Elektroszene.
Nicht im Sinne der Talentförderung. Akustische Musik findet höhere Akzeptanz, damit schneller Anerkennung und damit auch leichter Fördergelder. Ich vermute, die elektronische Musik wird zu oft nur als Bumm-Bumm-Bumm wahrgenommen. Viele sehen nicht, dass auch im elektronischen Bereich Kompositionen die Basis sind und viel Seele drin stecken kann. Es ist nicht wie mit einer Gitarre, bei der du ein Seite zupfst und dann erklingt sie. In elektronischen Produktionen musst man den Klang selbst erzeugen. Das ist eine Herausforderung, die auch Anerkennung finden sollte.
Du versuchst, Dein Jardin-Projekt mittels Crowd-Funding zu finanzieren. Waren Fördergelder keine Option?
Ich habe Fördergelder gesucht und unter anderem beim Migros Kulturprozent oder der Burgergemeinde Bern angefragt. Dabei ist mir etwas begegnet, das mich gestört hat – nämlich, dass man Kulturförderung meist als Handel betrachtet, bei dem ein Produkt oder ein Künstler im Mittelpunkt zu stehen hat.
«Kulturförderung wird meist als Handel betrachtet.»
Christian Lundsgaard-Hansen, Musiker und Initiator von «Bonsoir Jardin»
Mir wurde vielfach vorgeworfen, ich biete kein Kulturprodukt, ich wolle nur reden. Das finde ich sehr kurzsichtig. Die Idee einer nachhaltigen Kulturförderung ist doch, Interessierten das Know-how und das Netzwerk zur Verfügung zu stellen, damit sie kulturell tätig werden und somit wirklich auch nachhaltig Produkte und Projekte realisieren können. Nur eine Versicherungsgesellschaft teilt meine Vision von Kulturförderung und unterstützt «Bonsoir Jardin» als Sponsorin.
Das Crowd-Funding läuft harzig …
Ich verkaufe mit «Bonsoir Jardin» kein konkretes Produkt, ich verkaufe eine Chance. Es ist nicht einfach zu vermitteln, dass das auch Geld kostet und dass es vor allem absolut lohnenswert ist, auch in Chancen zu investieren. Denn diese können Realität werden und damit die Berner Kulturlandschaft bereichern. Viele haben vielleicht das Gefühl, sie würden die Katze im Sack kaufen und behalten das Geld dann lieber für sich. Schade.
Es bleibt nicht mehr viel Zeit und es ist gerade mal ein Drittel der benötigten Summe zusammengekommen. Was passiert, wenn die Massenfinanzierung scheitert?
«Bonsoir Jardin» wird stattfinden. Punkt. Drei Veranstaltungen wollen wir auf jeden Fall realisieren. Dann sehen wir ja, ob es Anklang findet, ob Bern diese Art von Plattform braucht und schätzt.
Bleiben wir mal beim Faktor Zeit. So ein Projekt verschlingt sicherlich viel davon.
Ja, ich habe schon etliche Wochen investiert.
Du bist Student, Musiker in zwei Projekten, tourst mit Wohnzimmerkonzerten durch die Schweiz und Deutschland. Volles Programm im Namen der Kultur.
Ich glaube einfach an Kultur und darum ist es eine Selbstverständlichkeit, mich kulturell zu engagieren. Kultur bereichert das Stadtleben. Und Bern hat sehr viel zu bieten: Die Round Table Knights etwa haben zum zweiten Mal den Schweizer Nightlife-Award gewonnen. Der Berner DJ Deetron ist international sehr erfolgreich, der hiesige Produzent Dimlite inspiriert junge Beat-Maker in Kalifornien. Es ist auch sicherlich kein Zufall, dass ein Grossteil der grossen Mundartkünstler aus Bern kommt: Mani Matter, Patent Ochsner, Züri West.
«Bern ist eine Hochburg in Sachen Kultur.»
Christian Lundsgaard-Hansen, Musiker und Initiator von «Bonsoir Jardin»
Bern ist also kulturell hoch relevant?
Bern ist eine Hochburg in Sachen Kultur. Aber wieso haben trotzdem alle das Gefühl, man muss auf Zürich gehen? Ich denke, das liegt unter anderem daran, dass die Berner sehr bescheiden sind und nicht gern mit ihrem Erfolg hausieren gehen. Wie soll man aber von Synergien einer florierenden Szene profitieren können, wenn sie sich nicht zu erkennen gibt? Auch das ist mein Antrieb, einen Ort zu schaffen, an dem man mal aufstehen und sich zeigen kann.
Das braucht Mut bei so viel Berner Bescheidenheit.
Den braucht es immer. Ohne Mut lässt man Chancen verstreichen, und von denen gibt es sicherlich einige bei «Bonsoir Jardin».