«Andere» dürfen nicht «schwer punkten»!

von Roman Gugger 1. Oktober 2015

«Im Moment liegt der Schwerpunkt in der Mobilisierung aller progressiven Kräfte im Land zur Verhinderung des drohenden Rechtsrutsches.»

Welches sind meine Schwerpunkte in der kommenden Legislatur? Das ist die mir gestellte Frage. «Ich bedanke mich für diese Frage und möchte erstmal eine andere beantworten», pflegt der Vorsitzende und Europaabgeordnete der deutschen Satirepartei «Die Partei», Martin Sonneborn, gelegentlich in Interviews auf ihm gestellte Fragen zu entgegnen. Obwohl es ja eigentlich normal ist, dass PolitikerInnen nicht die gestellten Fragen beantworten, ist es dennoch ungewöhnlich, offen dazu zu stehen. Ich gestehe: Ich werde die Fragestellung nicht ganz so genau nehmen. Lassen Sie mich also ausschweifen:

Die Umfragewerte zeichnen ein düsteres Bild, was die Nationalratswahlen vom kommenden 18. Oktober betrifft. Das geschlossene rechtsbürgerliche Lager rund um die Kahlschlagromantiker, Hetzer und Brandstifter von Freisinn und Unsinn würde demnach deutlich zulegen, die Mitte und die Linke würden verlieren. Die Frage nach meinen politischen Schwerpunkten der kommenden Legislatur verliert erheblich an Relevanz, sollte dieser Rechtsrutsch tatsächlich stattfinden. Legt nämlich die Rechte zu, dann wird unweigerlich die Rechte die Inhalte setzen und – noch schlimmer – die politischen Weichen stellen. Ich könnte jetzt, wie das meine Mitschreibenden in diesem Format gerne getan haben, grandiose Versprechungen abgeben, Bilder einer idealen Schweiz malen und versuchen, mich als Wunschkandidat der Lesenden anzupreisen. Doch aktuell ist mir gerade sowas von gar nicht danach zumute. Das drohende Szenario hält mich davon ab.

Adieu, adiós und tschüss

Die Bürgerlichen ziehen geschlossen in diesen Wahlkampf. Mit ihren Verbündeten von «Economiesuisse» und anderen finanzstarken Partikularinteressenverbänden treiben sie den Angriff auf Umwelt- und Arbeitsgesetzgebung voran. Steuergeschenke für Unternehmen, Deregulierung, Liberalisierung, Flexibilisierung. Das Ganze wird schön verpackt in «Irgendetwas mit Freiheit». Freiheit? Die Asylgesetzgebung soll verschärft werden, der Sozialstaat zwar abgebaut, der Überwachungsstaat jedoch ausgebaut werden. Sollte unser Parlament tatsächlich nach rechts rutschen, dann sehe ich schwarz. Adieu, geschätzte Energiewende, adiós Chancen für eine verantwortungsvolle Klimapolitik, hallo neoliberale Wirtschaftspolitik, tschüss soziale Verantwortung. Abbau und Abschottung auf Kosten der Schwächsten.

Ich könnte jetzt an dieser Stelle dazu aufrufen, Junge Grüne oder Grüne zu wählen und dann aufzählen, warum wir die einzigen sind, die unsere Schweiz noch retten können. Natürlich, die Grünen sind die beste Partei, das wissen wir aber auch schon alle.

Du musst dich entscheiden: Welche Schweiz willst du?

Ich rufe dich auf, dich zu entscheiden. Welche Schweiz willst du? Willst du die Schweiz des Oligarchen Christoph B. aus H.? eine abgeschottete Schweiz, in der die Menschen in Angst Leben müssen? Angst vor Arbeitsplatzverlust, Angst vor sozialem Abstieg, vorm Altwerden ohne Altersabsicherung? eine Schweiz, in der Arbeitnehmende weder Rechte noch Rente haben?

Oder willst du eine Schweiz der Menschen? eine Schweiz des Miteinanders statt Gegeneinanders? eine Schweiz, die ihren natürlichen Ressourcen Sorge trägt und auch den kommenden Generationen etwas zum Leben übrig lässt? Wenn dich eher diese Schweiz anspricht, dann rufe ich dich auf: Wähle die Partei der Arbeit, wähle die AL, wähle andere linke Kleinparteien, wähle die Sozialdemokratie oder eben: Wähle (Junge) Grüne und Junge Alternative! Du kannst meinetwegen sogar deine Stimme der Mitte (ver)schenken, muss dir aber bewusst sein: «E Lawine vo rächts brucht e Hang i dr Mitti» (Eldorado FM im Song «Lawine»). Darum musst du in diesem Fall damit rechnen, dass deine Stimme gelegentlich auch ersterer Schweiz dient.

Im Moment liegt der wichtigste Schwerpunkt in der Mobilisierung aller progressiven Kräfte im Land zur Verhinderung des drohenden Rechtsrutsches. Gelingt es uns allen, diesen zu verhindern, können wir in den nächsten vier Jahren dann unsere Schwerpunkte setzen. Ideen haben wir alle genug – und alles kann gut werden.