Es geht um das «Kunstmuseum der Zukunft». Wie sehr anders als heute soll das KMB übermorgen sein? Was soll es neu machen können? Was bedeutet ein Museum: «gleichermassen von mehr Gegenwartskunst und historischen Sammlungen in neu konzipierten, lichten Räumlichkeiten geprägt», in dessen Zentrum «Kunstvermittlung, Begegnung, Bildung, eine attraktive Gastronomie und Zonen, in denen man sich einfach aufhalten kann» stehen? Die Sätze in der verdienstvoll umfassenden Dokumentation und die Ausführungen von Jonathan Gimmel, Präsident des Stiftungsrats der Dachstiftung KMB-Zentrum Paul Klee, lassen Vieles offen.
Heimat auf Zeit
Gemeint ist gewiss ein Museum, das alle Menschen anzieht, ihnen Heimat bietet, Erlebnis, Entspannung, Sein auf Zeit. Den Inhalt dieses polyvalenten Orts bilden die Werke der Kunstsammlungen des KMB und der mit ihm verbundenen Stiftungen und Vereine – bis hin zur «fangfrischen Gegenwartskunst», wie es Sabine Hahnloser Tschopp ausdrückte, die im Stiftungsrat sitzt und den Verein der Freunde des KMB präsidiert, und die um anschauliche Formulierungen und emotionale Statements nicht verlegen war.
Allerdings ist die Logik ihrer Aussagen fragil. Wenn heute in Bern alles schon toll ist (das Berner Lebensgefühl zieht Leute an), wozu ein neuer Attraktivierungsschub? Wenn egal ist, was in Basel, Zürich, Lausanne an Museumsbauten entsteht, warum das Schielen nach auswärtigen Besuchenden? Wenn ganz Bern Kultur ist, wozu dann die fragwürdigen Bemerkungen, die Städte leerten sich, die obere Altstadt in Bern bestehe noch aus Döner-Ständen sowie leeren Läden und in der Reitschule fühle man sich nicht willkommen?
Gibt es eine Wahl?
Sonderbare Aussagen von Sabine Hahnloser Tschopp, die ein Feuerwerk zündete, um das Warum zu erläutern, am Schluss aber simpel feststellte, man habe gar keine Wahl, es gebe nur den Neubau oder die Schliessung, weil der vom Architekturbüro Atelier 5 in den 1980er Jahren gebaute Trakt trotz «Ertüchtigung» der Klimaanlage und der Erdbebenfestigkeit nicht mehr viel länger halte als bis etwa 2030?
Hat man die Wahl unter den detailliert vorgestellten Lösungsvarianten, die im Grundsatz seit Mai 2018 bekannt sind? Im Grunde nein. Wenn mindestens 1‘000 Quadratmeter mehr Ausstellungsräume nötig sind, um die Kunstschätze besser vermitteln zu können, dann erfüllt nur eine Variante alle Anforderungen. Sie besteht im «Dreiklang» des Salvisbergbaus, eines Neubaus anstelle des Atelier-5-Trakts und einer teilweisen Nutzung des Polizeigebäudes Hodlerstrasse 6, unterkellert und verbunden durch Geschosse für Kulturgüterschutz und Technik. Zum Dreiklang gehören Wege entlang der Hangkante und hinunter zur Aare.
Die Kosten werden auf 82,4 Millionen geschätzt. Angesichts der Schätzungsunschärfe (+/- 25%) streifen die Kosten die 100 Millionen-Marke. Darin nicht eingerechnet ist der Aufwand zur Attraktivierung der Hodlerstrasse, für die auch noch keine konkrete Idee vorliegt.
Das Geld
Rechnen wir konservativ, ohne die + 25% mögliche Zusatzkosten. 82 Millionen Kosten minus vielleicht 20 Millionen von Herrn Wyss (noch sind sie nicht gesichert), macht 62 Millionen. Zieht man davon die 40 Millionen ab, die die reine Sanierung des Atelier-5-Trakts kostet und für welche der Kanton aufkommen muss, bleiben 22 Millionen. (Diese Summe entspricht etwa jener, die das Siegerprojekt des Wettbewerbs 2006 kosten sollte.) Woher nehmen, wenn nicht der Kanton seinen Anteil erhöht oder Herr Wyss mehr schenkt? Man denkt an die Museumsstiftung der Burgergemeinde Bern, an einzelne Private, an «die Wirtschaft».
Doch noch hat sich kein Privater öffentlich zum Projekt bekannt und einem Beitrag versprochen. Das ist schade. Gerade ein solches Bekenntnis könnte Gold wert sein. Die jüngste Erklärung des städtischen Finanzdirektors hingegen empfinde ich als Gift für alle Projekte – gerade auch in der Kultur – die einen langen Atem brauchen und damit Zuversicht, zu einem guten Ende zu kommen.
Wichtige Ansätze
Mit Blick auf die ökologischen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen sind zwei Ansätze interessant. Zum einen soll eine Partnerschaft des KMB mit ewb für Heizung und Klima ein «green museum» ermöglichen, das Energie und Kosten spart. Zum anderen könnte die nicht an den Ort gebundene Administration und Forschung des Zentrums Paul Klee in das Polizeigebäude Hodlerstrasse 6 disloziert werden. Der Südhügel im Schöngrün würde so weitgehend frei für Ausstellungen und weitere Aktivitäten zu den Themen Architektur, Bauhaus, Design. Damit taucht in der Ferne der späten 2020er Jahre doch eine Idee auf, das Potential des ZPK und dessen Zugehörigkeit zur Dachstiftung KMB-ZPK besser zu nutzen. Mit Kostenfolge.
In die gleiche Perspektive gehören erste Überlegungen zur Stärkung des Kunstplatzes Bern im Dreieck KMB, ZPK, Museumsquartier (mit der Kunsthalle). Und mit Künstlerateliers, Galerien, Einbezug der Bevölkerung. Zarte Anfänge.
Und jetzt?
Bis Ende Jahr will der Stiftungsrat der Dachstiftung die Unterlagen für den Architekturwettbewerb fertig stellen. Dieser wird lanciert, sobald 85% der Finanzierung gesichert sind.
Wo also steht nun das Projekt? Blickt man auf die 13 Jahre seit dem letztlich ergebnislosen ersten Architekturwettbewerb, herrscht Enttäuschung über den Scherbenhaufen, den die beiden Vorgänger des heutigen Stiftungsratspräsidenten hinterlassen haben. Schaut man dagegen auf das, was seit Frühjahr 2018 an Klärung, Vernetzung, Aufbruchstimmung und Schwung erreicht wurde, fällt das Urteil positiv aus. Die Wagenburg hat sich geöffnet, der Stiftungsrat ist aus der splendid isolation mit vielen Partnerinnen und Partnern in ein partizipatives Verhältnis getreten. Fachlicher Rat wird gesucht, Vorschläge woher immer sind willkommen. Vieles ist in Bewegung geraten. Ihr muss man jetzt einen klaren Weg weisen. Das braucht noch etwas Zeit.
Zwei klare Sätze zum Schluss
Zwei Aussagen von Stiftungspräsident Jonathan Gimmel kurz vor Schluss des Orientierungsanlasses hallen nach: Es gebe kein Wettbewerbsverfahren ohne Klarheit über die Hodlerstrasse. Und: Von einer akademischen Debatte im Grossen Rat (gemeint ist die allfällige Verschiebung des kantonalen Kreditbeschlusses um fünf Jahre) hänge die Planung der Dachstiftung nicht ab.
Hätte doch alles andere ebenso eindeutig formuliert werden können.