Lisa hat grosse Reisepläne. Sie will endlich mal raus, ein paar Wochen weg von allem. Vielleicht zu Fuss durch Portugal? Da solls so eine tolle Wanderroute geben. Weil sie unbezahlten Urlaub nimmt, darfs auch nicht zu viel kosten. Vielleicht an den Fixkosten schrauben? Gute Idee. Lisa vermietet ihre Wohnung im Berner Quartier Breitenrain über die Buchungsplattform Airbnb für vier Wochen an ein deutsches Pärchen, das eine Weile in Bern bleiben möchte. Unkompliziert und einfach.
Dieses Modell nennt sich Homesharing, oder auf Deutsch: Teilen des selbstbewohnten Wohnraums. Homesharing ist die Ursprungsidee der bekannten Buchungsplattform Airbnb. Zu Beginn war Airbnb Teil der sogenannten «Sharing Economy», einem Wirtschaftssystem, bei dem Menschen Güter und Dienstleistungen miteinander teilen. Die Idee: Wer Ferien macht, kann seine Wohnung für ein paar Tage gegen ein Entgelt zur Verfügung stellen. Da Airbnb jedoch auch gewerbliche Vermietungen zulässt, ist sie schon lange nicht mehr nur die sympathische Homesharing-Plattform: Airbnb ist heute ein Geschäftsmodell, das hohe Renditen für Immobilienbesitzer verspricht und Mieter*innen immer stärker belastet.
Mieten steigen, Wohnraum wird knapper
Die Miete ist der grösste Posten im Haushaltsbudget. Und sie wird immer höher. Das ist aber kein Naturgesetz, sondern hängt von den Bodenpreisen und der Verfügbarkeit von Wohnraum ab. Der Boden wird knapper und teurer. Dabei spielen Plattformen wie Airbnb eine entscheidende Rolle: Durch die gewerbliche Kurzzeitvermietung auf Airbnb wird benötigter Wohnraum zweckentfremdet und teuer weitervermietet. In meiner Heimatregion im Berner Oberland ist die einst gute Idee längst zum Problem geworden. Viele meiner Freund*innen und Familie machen sich Sorgen, dass der Wohnraum in der Jungfrau Region bald kaum mehr bezahlbar sein wird.
Die Stadt Bern muss sich die Grundsatzfrage stellen: Wollen wir ein Geschäftsmodell weiterhin uneingeschränkt zulassen, das hohe Renditen für Immobilienbesitzer*innen auf Kosten der Mieter*innen verspricht?
Es erstaunt deshalb nicht, dass nach internationalen Metropolen wie Berlin, Amsterdam, Barcelona oder Paris auch immer mehr Schweizer Städte und Gemeinden Airbnb regulieren. So haben Luzern, Interlaken oder Tessin bereits Regulierungen beschlossen oder sammeln entsprechende Initiativen, um die Plattform auf den Home-Sharing-Gedanken zurückzuführen und den Wohnraum zu schützen.
Hauseigentümerverband blockiert Regulierung in Bern
Im Februar 2022 hat die Berner Stimmbevölkerung mit 82 Prozent das Zweitwohnungsreglement angenommen. Das Reglement, das am 1. Januar 2023 hätte in Kraft treten sollen, will gewerbliche Kurzzeitvermietungen in der Berner Altstadt verhindern. Weiterhin möglich ist eine Vermietung bis zu 90 Tagen und es gilt eine Besitzstandsgarantie für bisherige Wohnungen. Ich schreibe «hätte», weil das Reglement bis heute vom Hauseigentümerverband mit Beschwerden blockiert wird. Der gleiche Verband, der bei den diesjährigen Wahlen der grösste Geldgeber der Gemeinderatsliste von GLP bis SVP ist. Wann das Reglement in Kraft tritt, ist dadurch unklar. Dies obschon in der parlamentarischen Debatte darauf verzichtet wurde, das Reglement auf das gesamte Stadtgebiet auszuweiten, um es nicht zu verzögern, und die Altstadt als Wohnquartier zu schützen. Eine Ohrfeige an über 80 Prozent der Berner Stimmberechtigten, die sich an der Urne deutlich dafür ausgesprochen haben.
Stadt muss Wohnraum schützen
Die Stadt Bern ist in der Schaffung von mehr bezahlbarem und gemeinnützigem Wohnraum in vielen Bereichen eine Vorreiterin. Doch die Situation für Mieter*innen spitzt sich schweizweit weiterhin zu, und gewerbliche Kurzzeitvermietungen boomen. Das zeigen auch die Zahlen: Um ganze 30 Prozent ist die Anzahl an Gastgeber*innen auf Airbnb im vergangenen Jahr schweizweit gestiegen. In Bern werden zurzeit 729 Wohnungen, davon 97 Prozent auf Airbnb, vermietet. Gleichzeitig liegt die Leerwohnungsziffer Stand 2022 in der Stadt Bern bei 0,57 Prozent – das entspricht 447 leerstehenden Wohnungen.
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Die Stadt Bern muss sich die Grundsatzfrage stellen: Wollen wir ein Geschäftsmodell weiterhin uneingeschränkt zulassen, das hohe Renditen für Immobilienbesitzer*innen auf Kosten der Mieter*innen verspricht? Wollen wir in Kauf nehmen, dass immer mehr Wohnraum zweckentfremdet wird? Für den Erhalt der Kaufkraft und der Quartiere ist es essenziell, dass wir jetzt – neben der Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum – auch bestehenden schützen. Und das bedeutet: Airbnb und co. auf dem gesamten Stadtgebiet regulieren.
Zurück zu Lisa: Was passiert mit ihren Plänen, wenn Airbnb auch im Breitenrain-Quartier reguliert wird? Nichts. Sie kann ihre Wohnung weiterhin für maximal 90 Tage auf Airbnb vermieten oder eben «home-sharen». Lisa hat als Mieterin also keine negativen Konsequenzen und kann ihre Reise nach Portugal antreten.