«Schmetterlinge kommen mit einem Schnuller auf die Welt. Aber sobald sie gross genug sind, hängen sie diesen an den Schnullerbaum im Reich des Schmetterlingkönigs Lepido.» Dies erzählte am Dienstag, 20. Mai, die Museumspädagogin und Theatererzählerin Katharina Lienhard einer Gruppe von Kindern auf dem Vorplatz des Museums für Kommunikation.
Manchmal sei es für die Schmetterlingskinder schwer, sich vom geliebten Nuggi zu trennen. Im violetten Kostüm mit den zarten Flügeln eines Schwalbenschwanzes erzählt Lienhard die Geschichte des kleinen Papilio. Er schlüpft etwas zu früh aus seinem Kokon. Seine Flügel sind schwach, die Fühler hängen und den Nuggi braucht er noch ganz fest.
Aber er schwärmt für die schöne Schmetterlingsprinzessin Boloria, die schon kurz nach dem Schlüpfen elegant im Wind tanzt und ihren Schnuller sogleich abgibt. Erst als Papilio zusehen muss, wie die Boloria vom Schmetterlingsfänger Smith gefangen wird, wächst der kleine Schmetterling über sich hinaus und rettet die Prinzessin. Nach dieser grossen Tat schmeckt ihm der Nuggi nicht mehr so gut wie vorher und er hängt ihn leichten Herzens an den Baum. Dafür hat er nun die Prinzessin.
Ritual aus Dänemark
Nun sind die Kinder im Publikum dran. Sie sind mit Eltern, Grosseltern oder der Kita gekommen, um ihren Schnuller an den ersten Berner Nuggibaum zu hängen. Das Museum für Kommunikation hat den Baum im Rahmen der Ausstellung «Rituale. Ein Reiseführer zum Leben» eröffnet. «Ich habe das Ritual durch das Kind einer Freundin in Kopenhagen kennengelernt”, erzählt Direktorin Jacqueline Strauss. Tatsächlich soll der älteste Schnullerbaum seit den 1920er-Jahren in Dänemark stehen.
Lina, bald vier Jahre alt, ist mit Mama und Brüderchen eigens aus Triengen bei Luzern angereist und hängt alle ihre Nuggis mitsamt Kette an den Baum. Stolz geniesst sie nun das schmetterlingstaugliche Zvieri: süssen Sirup, Brötchen und Früchtespiesschen mit Gummibärchen.
Auch die vierjährige Marla und die dreijährige Elodie aus der benachbarten Kita Matahari haben ihren Nuggi an den Baum gehängt. Jada, die mit den Grosseltern gekommen ist, mag sich noch nicht von ihrem Liebling trennen. Stattdessen macht die Dreieinhalbjährige eine Zeichnung, die sie an den Baum bindet.
Gut für Babys, schlecht für die Zähne
Den Nuggi in einem Ritual zu verabschieden, dazu rät auch Anita Zulauf in der Zeitschrift «wir eltern». Allerdings solle das Kind langsam darauf vorbereitet werden und idealerweise selber sagen, wann es für den definitiven Abschied bereit sei.
Manche Babys saugen fürs Leben gern an ihrem Schnuller. Aber für die Zähne ist er nicht sehr gut. Deshalb sollte er spätestens nach drei Jahren verabschiedet werden, so Zulauf.
Sicher noch bis im Herbst können Kinder ihren Nuggi an die junge Linde auf dem Vorplatz des Museums binden. «Wenn es ein Bedürfnis ist und der Baum regelmässig genutzt wird, richten wir den Nuggibaum vielleicht auch definitiv ein», meint Direktorin Strauss.
Den Liebling besuchen
Wie geht es Lina am ersten Abend ohne Schnuller? Erst beim Einschlafritual habe sie den Nuggi vermisst und kurz geweint, erzählt ihr Vater. Als Ersatz nuckelte sie am Zipfel eines nassen Waschlappens. Am nächsten Morgen sei der Schnuller kein Thema mehr gewesen. Dafür sei Lina stolz auf sich und fast ein wenig grösser geworden. Und den Nuggi wolle sie später mit dem Papa beim Baum in Bern besuchen.