5 Jahre Journal B und die Qualitätsdiskussion

von Urs Frieden 1. Juni 2017

Journal B wird 5-jährig! Zeit für eine Standortbestimmung. An unserer Hauptversammlung diskutieren wir mit Guy Krneta über die aktuelle Mediensituation. Und über uns selber.

Dieses Jahr feiert Journal B den fünften Geburtstag. 2012 gingen wir erstmals online, nach fast zweijähriger Vorbereitung. Die Bedeutung der Online-Medien nahm seither stark zu. Kommt uns der Trend, dass immer mehr Qualität vom Print ins Netz abwandert, entgegen? Diesen und solchen Fragen gehen wir an unserer Hauptversammlung vom 21. Juni nach – u.a. zusammen mit (Bühnen-)Autor Guy Krneta, der unser Medium von Beginn weg begleitete (siehe Box).

Vom Print ins Netz

Bei unserer Gründung stand – nebst den neuen Formen, die online möglich sind – besonders die abnehmende Qualität der Lokalmedien Bund und BZ im Zentrum. Dass in den letzten Jahren schweizweit derart viel Qualität vom Print ins Netz abwandert, war 2012 noch nicht in dieser Dimension vorhersehbar. Online-Journalismus galt per se als unseriös und Tummelfeld von jungen Unerfahrenen, die sich auf einer Grossredaktion in einer Art Talentschuppen zuerst für den Print qualifizieren mussten. Die alt-bewährten Print-Produkte hingegen waren die unerschütterlichen Säulen der vierten Gewalt im Staate und Garanten der demokratischen Meinungsbildung.

Heute ist es ganz anders: In Online-Erzeugnissen ist häufig mehr Qualität zu finden als im heruntergesparten Print. Zum Beispiel bei der Tageswoche (Basel) und zentralplus (Luzern/Zug), vor allem auch bei infosperber und Journal21, wo erfahrene Medienschaffende ihr ganzes Knowhow ausspielen. Die gleichen Medienschaffenden fehlen dann auf den Printredaktionen, nicht zuletzt als AusbildnerInnen.

Viele Republiken!

Das gross angekündete und auf dem Spendenmarkt höchst erfolgreiche Online-Projekt „Republik” setzt ebenfalls auf diesen Trend oder wird ihn verstärken. Es wird massiv mehr Mittel zur Verfügung haben als zum Beispiel Journal B und zudem national, weit über Zürich hinaus, wahrgenommen werden. Trotzdem bleibt es mit den angekündeten drei Artikeln pro Tag ein Ergänzungsmedium, wie die meisten unabhängigen Online-Zeitungen. Schon rein deshalb ist klar: Es braucht viele Republiken! Wo Nischen sind, hat es immer Platz für Nischenprodukte.

Damit stellt sich die Frage nach einer gemeinsamen, verbindenden nationalen Infrastruktur – einer offenen Serviceplattform – unter und zwischen den Republiken, wie sie dem Watson-Gründet Hansi Voigt vorschwebt. Und ungeklärt ist die Frage nach dem Erstmedium. Hier dürfte SRF nach bereinigter Service-Public-Diskussion eine immer grössere Rolle spielen, während für Junge hier auch ein Online-Produkt wie Watson wichtig ist.

Zu lange einfach Klicks gezählt

Ich vermute, dass vor lauter Klicks Zählen die Qualitätsdebatte nur noch in kleinen akademischen Zirkeln (u.a. Medienqualität Schweiz) geführt wurde. Für die Werbewirtschaft ist zum Beispiel interessant, dass die Gratis-Zeitung 20minuten hohe Auflagen in einer klar umrissenen Zielgruppe und zudem eine grosse Online-Community aufweist. Oder dass Radio Energy nebst seiner angestammten Reichweite in Bern, Basel und Zürich auch noch eine Viertelmillion Kids sekundenschnell und ohne Radio im Facebook erreicht. Qualität ist bei solchen ökonomischen Überlegungen zweitrangig.

Auch die gefeierten Newsrooms der grossen Verlage trugen in den letzten Jahren keineswegs zur Qualitätssteigerung bei – weder im Print noch online. Da wird ebenfalls nur aufgrund der Klicks entschieden: Welche Geschichte kommt gut an? Welche lässt man sterben, zum Beispiel weil sie zu komplex ist oder Vorkenntnisse erforderlich sind? Themenwahl und Flughöhe richten sich relativ strikt nach den flüchtigen Reflexen der UserInnen.

Struktur-Diskussionen

Auch im Vorstand von Journal B blieb häufig keine Zeit für Qualitätsdebatten und das Beobachten der Medienentwicklung. Vielmehr mussten wir über Geld und über unsere Strukturen diskutieren. Nach dem ersten Betriebsjahr, 2013, waren wir gezwungen, von einer bezahlten Redaktion auf das heute noch bestehende Freiwilligen-Modell zu wechseln. Auf die Länge war eine Profi-Redaktion für Journal B nicht finanzierbar. Das Startkapital einer Medien-Stiftung war bald einmal aufgebraucht, und wir hatten (und haben) zu wenig Mitglieder, die bereit sind, 150 Franken pro Jahr zu bezahlen. Noch heute fehlen uns 100 bis 200 Mitglieder, um langfristig zu überleben und ab und zu ein Honorar bezahlen zu können. Und für einen Profi-Betrieb braucht es mindestens so viele Mitglieder wie Radio RaBe hat (1000), eine Abgeltung aus dem service-public-Topf, der nicht nur den elektronischen Medien TV und Radio vorbehalten sein soll, plus eine Reihe von Inseraten.

Mit dem Output sind wir hingegen in Anbetracht unserer Möglichkeiten sehr zufrieden. Wir brachten in den vergangenen fünf Jahren überraschende und vielfältige Texte, Bilder und Tondokumente, manchmal anregend, manchmal einordnend, Texte, wie sie in dieser Form anderswo selten zu finden sind.

Oder sind Sie anderer Meinung? Dann dürfen Sie gerne diesen Text kommentieren oder am 21. Juni an unsere HV kommen, wo Sie unsere Community in der realen Welt treffen können.