20 Jahre schnelles Geld im Breitsch

von Nicolas Eggen & David Fürst 26. Februar 2024

Geschäftsschliessung Der Speedy Cash schliesst seine Tore. Nach zwanzig Jahren feilschen, geht am Breitschplatz eine Ära zu Ende. Grund für Journal B dem legendären Laden einen letzten Besuch abzustatten.

Im hippen Breitenrainquartier fällt der Speedy Cash mit seinem knalligen Rot und dem überstellten Schaufenster aus dem Rahmen. Beim Betreten des Ladens kommt einem eine geballte Ladung an gebrauchten Bildschirmen, Handys, Uhren, Spielkonsolen und haufenweise Games, DVD’s, CD’s und sogar E-Gittarren entgegen. Das Konzept des Speedy Cashs ist einfach: Menschen können Ware für schnelles Geld verkaufen oder diese Secondhand-Ware zu erschwinglichen Preisen kaufen. Hinter dem Tresen steht Gilles Gétaz, der Gründer von Speedy Cash. Er verhandelt gerade den Preis einer Uhr mit einem Kunden und meint freundlich: «Ich kann diese Uhr nicht kaufen, tut mir leid. Das ist keine Kaufquittung, sondern eine Reparaturbestätigung.»

Solche Gespräche wird es am Breitschplatz bald nicht mehr geben, denn nach 20 Jahren feilschen ist nun Ende März Schluss, der Speedy Cash macht zu. «Ich kaufe nur noch vereinzelt Waren ein. Jetzt geht es darum, die Sachen, die wir noch haben, möglichst alle zu verkaufen», erklärt Gilles Gétaz. Nach einem Vierteljahrhundert im Geschäft, mit 63 Jahren, hat er genug. Seit 2004 gibt es den Laden im Breitsch, angefangen hatte es 1999 mit dem ersten Laden in Biel, dann ein weiterer in Neuchâtel und zwischenzeitlich auch ein zweiter Laden in der Innenstadt von Bern, in der Aarbergergasse.

Anders als online kannst du im Geschäft die Ware anfassen und testen (Bild: David Fürst).

Goldzähne und Pistolen

Über die Jahre sind Gétaz so einige Kuriositäten zum Kauf angeboten worden: «Mir wurden schon Goldzähne und eine Pistole angeboten!», erzählt er lachend. Auch sei ihm einmal ein Art Scanner oder Röntgengerät aus dem Spital angeboten worden: «Dieses Ding war über drei Meter lang und soweit ich weiss, braucht es eine Bewilligung für so ein Gerät».

Um so einen Laden zu führen, braucht es ein gutes Fingerspitzengefühl.

Ein weiteres Highlight sei immer, wenn nach Jahren ein Produkt doch noch einen Käufer oder eine Käuferin finde. Beim Erzählen kommt Gétaz ins Schwärmen: «Ich habe in den 90er Jahren mal ein altes Sony Film-Schnittgerät gekauft, welches zuerst lange im Laden in Biel herumstand, dann nahm ich es nach Bern. Eines Tages kam jemand der meinte: Genau dieses Gerät suche ich seit Jahren! Er konnte es nicht glauben und war ausser sich vor Freude!» Solche Begegnungen mit den Kunden werde Gétaz besonders vermissen.

Gilles Gétaz wäre froh, wenn er jemanden findet, der Speedy Cash weiterführt (Bild: David Fürst).

24 Stunden Bedenkzeit

«Um so einen Laden zu führen, braucht es ein gutes Fingerspitzengefühl», sagt Gétaz. Ab einem gewissen Warenwert brauche es immer eine Quittung und gewisse Sachen, wie etwa Damentaschen, würden sie aus Prinzip nicht annehmen, da es zu schwierig sei, zwischen echten Markenartikeln und Imitaten zu unterscheiden.

Video-Aufnahmen + Fotos: David Fürst / Schnitt: Lucy Schön

Heikel werde es vor allem dann, wenn Leute sich aus der Not von geliebten Gegenständen trennen müssen. «In solchen Fällen gebe ich den Personen meistens noch 24 Stunden Bedenkzeit, damit sie nochmals gut überlegen können, ob sie das wirklich verkaufen wollen», so Gétaz weiter. Damit soll verhindert werden, dass Kunden den Verkauf eines Produktes im Nachhinein bereuen. «Die meisten Leute verkaufen aber nicht aus der Not heraus und haben Freude, wenn sie für ihre alten Sachen noch etwas Geld bekommen», erklärt Gétaz.

Wo es eine Aufwertung gibt, gibt es meistens auch eine Verdrängung – Stichwort Gentrifizierung.

Gétaz hat auch schwierige Zeiten erlebt. Bei den Läden, die von Mitarbeitern geführt wurden, kam es zu finanziellen Unstimmigkeiten. «Es ist ein delikater Beruf. Ich musste meinen Mitarbeitern viel Vertrauen, leider wurde dieses nicht immer zurückgegeben. Die Mitarbeiter sind im An- und Verkauf tätig. Manche Kunden wollen, dass etwas nicht getippt wird, um einen besser Preis zu bekommen. Das bringt die Mitarbeitenden in eine delikate Lage», erzählt Gétaz.

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Gentrifizierung im Breitsch geht weiter

Das Breitenrainquartier erfährt seit einigen Jahren eine Aufwertung. Die zentrale Achse des Breitenrainquartiers wurde in den letzten Jahren vom Kursaal bis zum Guisanplatz aufgewertet. Der Breitschplatz, der frühere verkehrsdominierte Platz, ist zu einem Begegnungsort geworden. Das Breitenrainquartier wird als Wohn- und Gewerbequartier immer attraktiver. Aber Achtung, wo es eine Aufwertung gibt, gibt es meistens auch eine Verdrängung – Stichwort Gentrifizierung. Auch im Breitsch zeigt sich dieser Trend: Das alteingesessene Restaurant Tramway musste dem schicken Bistrot Olympia weichen. Nun ist also der Speedy Cash an der Reihe. Das Ladenlokal, an prominenter Lage am Breitschplatz, kann wohl durch diese Aufwertung des Quartiers um einiges teurer vermietet werden, als es jetzt noch der Fall ist.

Der Besitzer sagt: Die meisten Leute verkaufen nicht aus der Not heraus und haben Freude, wenn sie für ihre alten Sachen noch etwas Geld bekommen (Foto: David Fürst).

Gétaz schaut dem Ende mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. Einerseits sei er froh, ein wenig kürzer treten zu können. Andererseits findet er es schade, dass der Laden und das Konzept nicht weitergeführt werden: «Ganz ehrlich, es stört mich, den Laden so definitiv zu schliessen, ohne Ersatz. Ich hätte gerne eine Lösung gefunden, bei der jemand alles übernimmt, auch an einem anderen Standort.»