10 Fragen an Pia Neuenschwander, freischaffende Fotografin

von Rita Jost 22. April 2020

Fotografieren ist eine intime Sache. Die Fotografin geht mit der Kamera nah zu den Menschen. Das ist im Moment oft nicht möglich. Die Aufträge sind von einem Tag auf den andern weg. Auch für die freischaffende Fotografin Pia Neuenschwander. Sie denkt ans Umsatteln und setzt auf das Prinzip Hoffnung.

Pia Neuenschwander, wo erreichen wir Sie gerade?

Ich wollte eben das Haus verlassen und in mein Atelier gehen.

Das heisst, Sie arbeiten noch als Fotografin?

Nein, ich schreibe Bewerbungen. Fast alle Fotoaufträge wurden von einem Tag auf den andern gestrichen. Ich hatte zum Beispiel einen grösseren Auftrag für eine Sonderschule. Ich hätte drei Tage lang Menschen fotografiert, den Schulalltag festgehalten, LehrerInnen und Schüler für eine neue Website porträtiert usw. Daraus wurde nichts. Ein Grossauftrag, den ich mir ans Bein streichen musste. Dann hätte ich an verschiedenen Events fotografieren können. Diese finden nun nicht statt. Auch diese Aufträge sind gestrichen. Genauso wie verschiedene Fotoaufträge im Pflegesektor, in Heimen usw.. Die Angst ist zu gross. Ich könnte zwar – auf Distanz –einiges noch machen, aber die Leute haben Angst. Man wartet lieber mal ab.

Was heisst das finanziell für Sie?

Es ist eine Katastrophe. Meine Kunden sparen, und ich bin die Erste, die das zu spüren bekommt. Ich habe ich Moment noch etwas Reserven. Aber ich lebe jetzt vom Ersparten.

Sie haben gesagt, Sie schreiben Bewerbungen?

Ich bewerbe mich für alles Mögliche: Teilzeitjobs, Kurzeinsätze im Verkauf… Ich habe schon ziemlich viel gemacht in meinem Leben, habe ein relativ ein breites Spektrum an Kompetenzen, auch ausserhalb der Fotografie. Ich habe auch mal im Tourismusmarketing gearbeitet. Aber das ist einige Jahre her.

Eine ganz neue Situation?

Ja, total. Ich hätte mir das nie vorstellen können. Ich habe zwar zu Beginn meiner Karriere als Freischaffende auch noch nebenher im Service ge-jobt, damit ich mit zwei Kindern über die Runden kam. Aber ich hatte gehofft, dass ich das nie mehr tun muss. Doch jetzt ist es so. Da kann man nichts machen… Ich bin ja nicht die einzige mit diesem Problem.

Was vermissen Sie am meisten?

Mit der Kamera unterwegs zu sein. Zu spüren, dass man meine Arbeit schätzt, dass ich zur Verfügung stehe für unterschiedlichste Aufträge. Und ich vermisse die Kontakte mit meinen Kundinnen und Kunden. Meine Mailbox ist plötzlich leer! Auch das, eine ganz neue Erfahrung.

Ihr Rezept gegen den Lagerkoller?

Rausgehen und den Kopf freimachen. Den Wald von aussen anschauen. Die Natur geniessen und – endlich! – lesen: Nur nicht grübeln. Das bringt mir nichts. 

Welche neue Gewohnheit Errungenschaft möchten Sie hinüberretten in die Zeit nach Corona?

Ich sehe durchaus positive Aspekte in dieser Zeit. Die Verlangsamung beispielsweise finde ich sehr angenehm. Einiges bedachter angehen auch. Wieder etwas mehr Zeit haben für kreative Tätigkeiten. Es gibt einige Fotoprojekte, die ich jetzt realisieren will. Fotoserien herstellen zu emotionalen Themen beispielsweise. Kleine Herzsachen halt.

Was geben Sie trotz Quarantäne nicht auf?

Die Hoffnung. Die Freude am kreativen Arbeiten. Das liegt mir. Das ist, was ich am besten kann, habe ich das Gefühl. Ich will einfach dranbleiben. Ich will mich nicht frustrieren lassen, wenn zum Beispiel keine Anfragen eintreffen. Ich will nicht aufgeben. Das sehe ich momentan als meinen Weg.

Wen möchten Sie im Moment am sehnlichsten umarmen?

Meine Eltern.