Wo treffen wir dich grad an?
Ich und meine Mitmusiker Tevfik Kuyas und Lukas Iselin nutzen den Lockdown und arbeiten am neuen Album, welches am 23. Oktober im Bierhübeli getauft wird. Die Proben finden allerdings nicht mehr im Bandkeller statt, sondern jeder arbeitet zu Hause in seinen vier Wänden.
Ihr habt einen Corona-Song herausgegeben. Zusammen Musik machen, wie geht das in der Isolation?
In der Vollisolation stiess ich auf den Song «My Sharona» von The Knack. Tevfik und Lukas waren von meiner Idee angetan, einen Corona-Song zu machen. Wir haben unsere Proben für ein paar Tage unterbrochen und uns gemeinsam darauf eingelassen. Tevfik hat das musikalische Baugerüst an meine textlichen Vorgaben angepasst und Lukas hat es mit seinem Akkordeon untermalt. Fabian Zahnd hat die Aufnahmen zu einer passenden Gesamtheit zusammengeschnitten. So waren innerhalb von 3 bis 4 Tagen Lied und Videoclip fertig und dies, ohne dass wir uns ein einziges Mal getroffen haben.
Was willst du mit dem Song bewirken?
In erster Linie war es ein «Fun-Projekt». Wir konnten den «Gring dürelüfte» und unbeschwert zur Sache gehen. Zudem wollte ich – trotz der Ernsthaftigkeit der Lage –, mit diesem Lied eine gewisse Unbeschwertheit in den Alltag bringen. Die momentane Situation müssen wir ernst nehmen, jedoch dürfen wir uns dabei nicht von dieser Bürde erdrücken lassen. Ich hoffe, dass dies mit diesem musikalischen Beitrag geglückt ist. Die Reaktionen sind mehrheitlich positiv.
Und sonst, was machst du den ganzen Tag?
Die Leute auf der Strasse zählen. Nein, im Ernst, ich habe mich bisher selten gelangweilt. Ich widme viel Zeit meiner Musik, meinem Masterstudium in Rechtswissenschaft, der Planung für das neue Album; beantworte liegengebliebene Briefe und vergessene Mailnachrichten und tauche in den auf mich wartenden Bücherstapel ein. Ich schlafe abends mit Bukowski ein und erwache morgens neben Viviane. Dies geschieht alles in meiner 2 1/2-Zimmer- Altstadtwohnung.
Wo wärst Du jetzt in normalen Zeiten?
Ich hätte zur Zeit jede Woche Konzerte und stünde auf der Bühne. Tagsüber wäre ich an der Uni, in der Stadtbibliothek, in einem Bistro oder im Bandkeller. An konzertfreien Abenden bestünde die Chance, mich im «Pyri» oder in einem anderen Altstadtlokal anzutreffen.
Was bereitet Dir im Moment am meisten Sorgen?
Ich mache mir in erster Linie Sorgen um meine Eltern, meine Familie, Freunde und hoffe, dass alle gesund und finanziell heil diese schwierige Situation überstehen werden. Meine öffentlichen und privaten Konzerte sind bis auf weiteres abgesagt. Das heisst für mich, dass ich zur Zeit absolut kein Einkommen habe. Mit dem Blick ins halbleere Portemonnaie kommen schon hie und da Existenzängste auf. Ich versuche jedoch, diese Zeit als entschleunigte und kreative Zeit zu nutzen.
Was vermissest du am meisten?
Ich vermisse den unmittelbaren und ungezwungenen zwischenmenschlichen Austausch, meine Auftritte, wie auch meine Geliebte im Wankdorf-Stadion.
Dein Rezept gegen Lagerkoller?
Definitiv Musik. Sollte mir trotzdem die Decke auf den Kopf zu fallen drohen, kaufe ich Stützpfeiler.
Welche Erkenntnisse möchtest du hinüberretten in die Nach-Coronazeit?
In erster Linie die Entschleunigung. Ich möchte in Zukunft vermehrt die Handbremse ziehen. Zeit haben, handgeschriebene Briefe zu verfassen, mich ohne zeitlichen Druck informieren, ein lang ersehntes Buch lesen, zuhören… Zudem habe ich – als Computer- und Digital-Banause – in den letzten Wochen mehr gelernt, als all die Jahre zuvor. Und: ich stehe neuerdings jeden Morgen früh auf, um mir eine Struktur zu geben. Ob ich dies allerdings in die Nach-Coronazeit retten kann, das weiss ich noch nicht.
Was gibst du trotz Quarantäne nicht auf?
Musik, Zähneputzen, Duschen, Bier…
Wen möchtest du gerade am sehnlichsten umarmen?
Meine Eltern. Sie leben wie ich in der Isolation. Wir hören und tauschen uns zwar regelmässig aus. Jedoch hat eine Umarmung mehr Kraft, als Worte dies ausdrücken können.