Alle Sprachen sind gleichwertig.

von Beat Sterchi 7. November 2013

An dieser Stelle wurde zuletzt gefragt, warum Kollege Lenz „Mundartautor“ genannt wird, während andere Kollegen und Kolleginnen nie derart plump auf einen Aspekt ihres Schreibens reduziert werden.

Natürlich kann man beim Thema Mundart die Augen verdrehen. Alles kalter Kaffee! Alles hundertmal durchdiskutiert!

Hat man nicht in Deutschland studiert oder gelebt? Wo ist das Problem? Solange nur oberflächlich und ungenau darüber debattiert wird, ist es jedenfalls nicht vom Tisch.

Bei „Bern ist überall“ wissen wir sehr wohl, dass für viele Literaturinteressierte unsere besondere Sprachsituation ein Thema ist. Wie man mit unserer gesprochenen Sprache umgeht, was man damit macht, das interessiert! Bezeichnenderweise kommen die schönsten Komplimente nicht selten von Deutschen, die über die Poesie Zugang zu unseren Sprachen suchen und finden.

Und mit welcher Oberflächlichkeit müssen diese Debatten geführt worden sein, dass wir bei all dem Streiten nach wie vor mit derart ungenauen Begriffen wie „Dialekt“ und „Schweizerdeutsch“ rumfuchteln? Damit wird sicher nichts geklärt. Denn unsere Dialekte sind mit gesundem Selbstbewusstsein betrachtet einfach Sprachen wie andere auch und unser Schweizerdeutsch ist ein etablierter Sammelbegriff, der in der Praxis  jeglichen Wert verliert. Oft wird in Stellungnahmen jeder Art die Situation zwar richtig analysiert, dann zieht man aber wieder die schmerzlosen, aber falschen konventionellen Schlüsse.

Mehr Selbstbewusstsein ja! Aber bitte auch im Umgang mit unserer Erstsprache, mit unserer eigentlichen Muttersprache.

Falsche Schlüsse zieht auch Irena Brežná in ihrem Buch „Die undankbare Fremde“.  Ein Buch das einen, wie jemand mal gesagt hat, im besten Sinne des Wortes umpflügt, weil die Lektüre Boden aufbricht, was schmerzen kann, aber den Boden wieder fruchtbar macht. Ich habe es stellenweise mit angehaltenem Atem gelesen. Beeindruckend auch, wie die Autorin einen angenehmen, befreienden Zustand des Fremdseins in und zwischen den Kulturen verteidigt. Bei aller produktiven Teilnahme, doch als ein privates Territorium. Aber unserer Sprache spricht sie das Recht auf diese produktive Insel zwischen und in den Kulturen ab, indem sie über unsere „Dialekte“ den Stab bricht und deren Erlernen als Anbiederung betrachtet.

Wenn wir uns aber endlich zu der Erkenntnis durchringen könnten, dass alle Sprachen gleichwertig sind und dass niemand seine Muttersprache selber wählen kann, würden sich fortan viele dieser anachronistischen Werturteile erübrigen, man würde sich ihrer sogar schämen, weil sie rassistisch sind.