Weiter geht es mit Pablo Picasso

von Beat Sterchi 1. September 2016

Auch jetzt würde ich so gerne aus meinem spanischen Gemüsegarten berichten, würde gerne schwärmen von grossen und kleinen Wundern der Natur, von unerklärlich aufrecht stehenden Sonnenblumen oder von den Bohnen, die mit langen Fühlertrieben die Stange suchen und finden. Aber noch immer hat Spanien keine Regierung und diese Tatsache muss berichterstatterisch abermals Vorrang haben. Immerhin hält sich dieser Schwebezustand schon seit mehr als acht Monaten, was nicht ohne Auswirkungen bleiben kann. Öffentliche Aufträge an die Wirtschaft werden aufgeschoben, offene Stellen nicht besetzt und wenn man bedenkt, dass hier nach jedem Regierungswechsel sämtliche Chefbeamten, inklusive der Redaktionen der staatlichen Radio- und Fernsehsender ausgewechselt werden, kann man sich vorstellen, wie gelähmt dieses Land durch die vorherrschende Ungewissheit ist.

Noch ist ein dritter Wahlgang nicht ganz auszuschliessen, was gemäss einem Nachbar im Dorf allerdings dazu führen würde, dass diese Politiker und Politikerinnen nicht mal mehr von ihren eigenen Grossmüttern gewählt werden würden.

Eine Nachbarin, die selbst längst Grossmutter ist und die grosse Teile ihres Lebens in ziemlich ärmlicher, aber typischer ruraler Mangelwirtschaft gelebt hat, behauptet dagegen, sie wüsste sehr wohl, wie man diese Regierungskrise bewältigen könnte. Sie meint, man müsste diese Herren, die sich um das Amt des Präsidenten streiten, mit einem Maultiergespann einen Acker pflügen lassen. Derjenige, der die geradesten, schönsten Furchen schafft, der müsste die Regierung bilden.

Wenn das Ganze nicht ganz so einfach ist, hat es vor allem damit zu tun, dass es in dieser relativ jungen Demokratie bisher eigentlich vor allem nur um links oder rechts und um zwei Partien ging. Und wenn es jetzt, anders als anderswo in Europa sehr schwierig ist, politische Allianzen oder gar eine grosse Koalition zu schmieden, dann hat auch das seinen Grund. Auffallend ist nämlich, dass noch jetzt, 80 Jahre danach, immer wieder vom Bürgerkrieg gesprochen wird, der einfach noch nicht richtig bewältigt ist. Interimspräsident Rajoy von der rechtsbürgerlichen Partei Partido Popular verurteilte den  Staatsstreich gegen Erdogan in der Türkei schon am nächsten Tag. Zum Staatsstreich von Franco hat seine Partei noch nie ein Wort verloren. Noch nie gab es eine Entschuldigung oder gar eine Rehabilitation der Opfer. Dass man mit einer solchen Partei nicht einfach ein Zweckbündnis eingeht, leuchtet ein. Über vieles liesse sich reden, aber über absolut Grundsätzliches eben nicht.

Und was hat Pablo Picasso damit zu tun? Es gibt mittlerweile wuchtigere, unausweichlichere, bildliche Darstellungen des Krieges – beispielsweise Gemälde zur Deutschen Geschichte, die einem alleine schon durch ihre bedrückenden gigantischen Dimensionen den Atem rauben. Aber denkt man an den Spanischen Bürgerkrieg, denkt man auch an Picasso, denn Guernica bleibt eine Ikone des Krieges schlechthin und es schadet auch heute nicht, dieses Bild immer wieder mal anzuschauen. Darin auch Aleppo und andere Schreckensorte der Gegenwart zu entdecken, fällt nicht schwer.

Mir persönlich ist auch unvergesslich, was ich hörte, als ich im Museum Reina Sofia in Madrid gerührt und ehrfürchtig lange davor stand. Da kamen zwei Amerikaner vorbei und während sie an dem Bild vorbeischlenderten sagte der eine erklärend zum andern, und zwar mit einer Selbstverständlichkeit im Ton, zu der nur Amerikaner fähig sind: «Probably the most important painting in the world!»

Vielleicht hatte er sogar recht.