Продолжить Дмитрий Жуков. / Weiter geht es mit Dimitri Schukow.

von Beat Sterchi 6. Oktober 2022

Der kürzlich verstorbene spanische Autor Javier Marias und Roger Federer haben etwas gemeinsam. Javier Marias war ein Anwärter auf den Literaturnobelpreis, verehrt wurde er aber vor allem im Ausland. Ganz ähnlich geht es dem von seiner sportlichen Karriere zurückgetretenen Roger Federer. Er hatte es auch nicht immer nur leicht im eigenen Land. Jöh, dä Federer…Das habe ich mehr als einmal gehört. Vermutlich war er einfach zu gut für seine Heimat, wo man dem Genie misstraut, weil man gerne alles ein bisschen eingemittet hat. Was Federer aber draußen in der grossen Welt für einen unglaublichen Status geniesst, zeigt sich daran, dass es in den allerfernsten Ländern Menschen gibt, die rein nichts wissen über unsere schöne kleine Schweiz, auch rein nichts damit assoziieren können, ausser Roger Federer. Ihn kennt man und weil das so ist im Sport, weiss man auch aus welchem Land er kommt. Wie gut man ihn in Spanien kennt, zeigt der valencianische Schriftsteller Manuel Vicent in El País. Im Abschiedsspiel mit Nadal kam offenbar auch eine sehr schweizerische Seite von Federer zum Vorschein. Ihm zu Ehren, habe ich diese Kolumne mit Deepl übersetzt und etwas nachgebessert.* Manuel Vicent und El País werden den Klau verzeihen.

Und was hat Dimitri Schukow damit zu tun?

Es ist nicht so einfach, auf die Schnelle ein sehenswertes Tennisbild zu finden. Aber dieses Bild gefiel mir und als ich herausfand, dass es auch noch von einem Russen gemalt wurde, gefiel es mir noch besser, leben wir doch gerade wieder in Zeiten, in welchen bei autoritären, undemokratischen Ländern zwischen Macht und Volk unterschieden werden muss. Ich weiss von Dimitri Schukov lediglich, dass er 2016 ein Studium an der Staatlichen Universität für Architektur und Bauingenieurwesen Nischni Nowgorod abgeschlossen hat.
Als Kriegstreiber kann ich ihn mir nicht vorstellen.

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Die Kolumne von Manuel Vicent:

Federer und Nadal in Tränen aufgelöst

Der Mythos von Apollo und Dionysos, den diese beiden Tennisspieler verkörpern, fand seinen Höhepunkt in der Verabschiedung des Schweizer Spielers.

Der Kampf zwischen Apollo und Dionysos, der Ursprung der griechischen Tragödie, hat sich vor unseren Augen auf dem Tennisplatz abgespielt. In der klassischen Mythologie verkörpert Apollo die platonische Seite des Geistes, das Gleichgewicht, die Eleganz, die Präzision, das Maß, die Zurückhaltung, die Begrenzung. Dionysos steht für Leidenschaft, Exzess, Instinkt, Anstrengung, Dreistigkeit, Tränen.

Von der Tribüne eines Tennisplatzes aus, während Federer und Nadal ein qualvolles Grand-Slam-Finale bestritten, hätte Nietzsche dieses Match als eine Lektion in Moralphilosophie erklären können. Federer ging mit dem Schläger um, als wäre Tennis ein mathematischer, mentaler und ausgeglichener Sport. Der Ball kam mit schwereloser Geschwindigkeit aus seinem Arm und flog mit präziser Kraft auf einen Punkt auf der Linie zu. Er hat nicht geschwitzt, er hat nicht geschrien, er hätte im Smoking spielen können.

Nadal hingegen vermittelte gegen Federer den Eindruck, dass Tennis ein explosiver Sport ist, angespannt, übermenschlich. Jeder unmögliche Schlag wurde von einem Schrei begleitet, vielleicht vor Schmerz oder vor orgiastischem Vergnügen. Nadal schwitzte. Nadals Schweiß war seine Krone. In seinen frühen Tagen brach Federer seinen Schläger, wenn der Ball nicht dem Impuls seines Verstandes gehorchte. Auf die Niederlage folgte der Zorn. Dieses Ungleichgewicht wurde mit der Zeit durch die Gelassenheit des apollinischen Helden korrigiert, der kalt und unwillig ist, Gefühle zu zeigen.

Zu Beginn seiner Karriere trug der jugendliche Nadal auf dem Platz Seeräuberhosen und hatte den besessenen Blick eines Apachenkriegers. Sein fokussierter Blick drückte die Bereitschaft aus, allen Widrigkeiten um jeden Preis zu widerstehen, selbst wenn es zur Qual wurde. Der Mythos von Apollo und Dionysos, der von diesen beiden Tennisspielern verkörpert wird, erreichte seinen Höhepunkt am 23. September mit dem Abschied von Federer, als diese beiden Helden der modernen Mythologie sich an den Händen hielten und ihre Tränen vereinten. Die Emotionen haben gewonnen, Dionysos hat gewonnen.